Zuwachs in
der Steiermark
Die Entstehung der österreichischen Nationalparks ist von einer großen Gemeinsamkeit getragen: In allen sechs Fällen hat man mit der Gründung der Nationalparks auf drohende Eingriffe in Naturlandschaften reagiert. Es ist vielen einzelnen Bürgerbewegungen zu verdanken, dass der Schutz dieser Regionen gelungen ist - mit durchaus originellen Maßnahmen. Die Nationalparks sind das Ergebnis dieser geglückten Aktionen. Wir unternehmen den Versuch einer chronologischen Erzählung. Von der Erfindung des Naturschutzes, seiner Veränderung im Wandel der Zeit und der Gründung unserer Nationalparks. Der letzte Teil unserer Blog-Serie zur Naturschutzgeschichte Österreichs: Die Entstehung des Nationalparks Gesäuse.
Nationalpark Gesäuse
Eine erste Maßnahme zum Schutz der Gesäuse-Landschaft kann man bereits 1889 ausmachen. Es ist das Gründungsjahr der Steiermärkischen Landesforste, die zur Verhinderung von Bodenspekulationen weite Teile des Gesäuses erwerben und diese damit aus der Spekulationsmasse herauslösen. Keine zwanzig Jahre später - und lange vor dem Wasserkraft-Hype der Nachkriegszeit - kursieren erste Konzepte zur großräumigen Wasserkraftnutzung der Enns, die zwischen Admont und Hieflau quer durchs Gesäuse verläuft.
Ehe die Details zu diesem Mammut-Projekt bekannt werden gibt es aber bereits 1913 erste Vorschläge für einen steirischen Naturschutzpark. Ein solcher soll zunächst in den Niederen Tauern entstehen, er wird jedoch am Widerstand von ansässigen Grundbesitzern scheitern. Noch ahnt man nicht, dass die Steiermark knapp ein Jahrhundert später doch noch zu ihrem Schutzgebiet kommen soll - in Form eines Nationalparks im Gesäuse.
Die Enns: Ein Liebkind der Energienutzung
Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg werden die Pläne der „Landesarbeitsstelle für allgemeine Elektrizitätsversorgung in der Steiermark“ publik: In einer Variante A sieht man acht Staustufen an der Enns vor, eine Variante B zielt auf die Ableitung der Enns vom Gesäuse-Eingang durch einen Stollen im Bauchsteinmassiv in einen Stausee bei St. Gallen. Ein Kraftwerk in Weißenbach an der Enns soll das Wasser dann abarbeiten. Ein Megaprojekt, das vorerst einmal durch den Widerstand von Alpin- und Naturschutzvereinen sowie durch die Notjahre der Zwischenkriegszeit vereitelt werden kann. Es wird jedoch nicht das letzte Mal sein, dass derlei Pläne zur Nutzung der Enns-Wasserkraft wieder aus der Schublade hervorgezaubert werden. Der Wasserkraft-Hype der Nachkriegszeit macht auch vor dem Gesäuse nicht Halt. Wie bereits in allen anderen Nationalpark-Regionen gibt es auch für die Wasserkraftnutzung der Enns große Pläne. Mitte der 50er-Jahre wird bei Hieflau am östlichen Ende des Gesäuses ein Kraftwerk mit Wehranlage, Ableitungsstollen und Stausee errichtet.
Damit sind die Ambitionen der Kraftwerksbetreiber aber noch nicht befriedet. Weiteren Ausbauplänen stellt sich nun jedoch die Landesregierung entgegen. Man erklärt das Gesäuse samt angrenzendem Ennstal zum Naturschutzgebiet. Dessen ungeachtet nimmt ein Betreiber Anfang der 70er-Jahre noch einmal Anlauf zu jenem Mega-Projekt, das bereits vor dem Ersten Weltkrieg ersonnen worden ist: Am Gesäuse-Eingang soll ein Kraftwerk entstehen - mit Ableitungsstollen durch das Buchsteinmassiv. Ein weiteres Mal werden diese Bemühungen torpediert: Der Naturschutzbund kontert mit Expertengutachten, die Internationale Alpenschutzkommission CIPRA reicht eine ablehnende Resolution nach.
Weichenstellung im Jahr der Nationalparks
An anderer Stelle erinnert man sich an die Idee eines steirischen Nationalparks in den Niederen Tauern. Der Alpenverein urgiert ab Mitte der 70er-Jahre mit einer Resolution dafür. Keine zwei Jahre später wird dieser Nationalpark Niedere Tauern sogar schon im Landtag beschlossen, letztlich aber scheitert er an einer Einigung mit den Grundbesitzern im vorgesehenen Gebiet. Man glaubt es kaum, aber das Ringen um den Gesäuse-Eingang hat noch immer kein Ende gefunden. 1986 wird abermals ein Projekt vorgestellt, das die Wasserkraft der Enns für sich nutzen möchte. Wieder formiert sich Widerstand und diesmal schließt man sich in einer Interessensgemeinschaft „Plattform Gesäuse“ zusammen. Ein Déjà-vu in Endlosschleife, dem sich jetzt auch die Bezirkshauptmannschaft Liezen entgegenstellt. 1987 strebt sie als „rechtliche Notbremse“ ein naturschutzrechtliches Verfahren an, in dem die Enns im Gesäuse-Eingang zum Naturdenkmal erklärt werden soll. Damit wäre diesem - und allen künftigen - Kraftwerksvorhaben ein für alle Mal ein Riegel vorgeschoben. Die „rechtliche Notbremse“ greift. Nur ein Jahr später erfolgt die Erklärung: Die Enns im Bereich des Gesäuse-Eingangs firmiert offiziell als Naturdenkmal. Damit ist der Bau des Kraftwerks verhindert worden. Und diesmal: endgültig.
Der Nationalpark Niedere Tauern hat es nicht aus dem Taufbecken herausgeschafft, man hält jedoch fest an den Plänen zu einem Nationalpark in der Steiermark. Das Land entsendet einen Naturschutzbeauftragten zum Eignungstest des Gesäuses und dieser bescheinigt die Tauglichkeit. Das Jahr der Nationalparks hat es dann in sich: 1996 bringt entscheidende Wendungen für alle vier noch in Entstehung befindlichen Nationalparks. Der Nationalpark Donau-Auen wird eröffnet, im oberösterreichischen Landtag beschließt man das Nationalparkgesetz für einen Nationalpark Kalkalpen, im Thayatal legen Bürgermeister von fünfzehn betroffenen Gemeinden eine Resolution für die Errichtung eines Nationalparks Thayatal vor - und auch im Gesäuse bündelt man politische Kräfte zur Durchsetzung dieses steirischen Nationalparks. Auch hier sind es Bürgermeister, die sich in einer Willenserklärung offen für einen Nationalpark Gesäuse aussprechen. Noch im selben Jahr bringt man einen überparteilichen Antrag dazu im Nationalrat ein. Das veranlasst die Landesregierung zu einem Grundsatzbeschluss. Man will diesen Nationalpark.
Der Jüngste im Bunde
In einem nächsten Schritt entsteht der „Verein Nationalpark Gesäuse“, der für die Gründung eines Nationalparks Gesäuse urgiert. Eine Machbarkeitsstudie wird beschlossen. Aber auch Widerstände zeigen sich. In einer so benannten „Schutzgemeinschaft“ schließen sich Kritiker zusammen, die zu starke Nutzungseinschränkungen im Bereich der Jad, Forst- und Almwirtschaft fürchten. Das Ergebnis der Machbarkeitsstudie liegt vor und sie bescheinigt die Durchführbarkeit. Uneins ist man sich indes nach wie vor auf lokaler Ebene. Die Bürger teilen sich in Befürworter und Gegner auf. So greift man 2001 auf ein basisdemokratisches Instrument zurück und erteilt der einheimischen Bevölkerung das Wort. Eine Volksabstimmung soll Klarheit bringen.
Während sich die Gemeinde Weng mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit für einen Nationalpark ausspricht, lehnt man zumindest die Errichtung eines etwaigen Nationalparkzentrums in Admont mit 59% der Stimmen ab. Dieses Ergebnis haben sich die Naturschutzorganisationen nicht gewünscht und sie setzen sich gewissermaßen darüber hinweg, indem sie sich dennoch für eine Umsetzung des Nationalparks aussprechen - ungeachtet des Admonter-Votums. Und die Regierung beschließt ihn, diesen Nationalpark: noch im selben Jahr und einstimmig. Eine Planungsgesellschaft wird eingesetzt und mit der Einrichtung betraut. Ein Jahr später beschließt der steirische Landtag das Nationalparkgesetz für den Nationalpark Gesäuse: Die Steiermark hat ihren ersten Nationalpark. Nach langen Kämpfen, Anläufen und Vereitelungen. Die internationale Anerkennung lässt nicht lange auf sich warten, 2002 ist der Nationalpark Gesäuse auch vor den Augen der IUCN hochoffiziell ein Nationalpark der Kategorie II. Und damit vollendet das Gesäuse den „Bund der Sechs“: Österreich hat seine Nationalparks - und es sind Sechs an der Zahl.
Text: Christina Geyer
Mit Unterstützung von Bund und Europäischer Union.
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Die Vorgeschichte gibt es im sechsten Teil:" Nationalpark Thayatal. Harte Grenze, grünes Band."
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