Urzeitkrebschen in den
Salzlacken des Seewinkels

Forschungsstipendium

Ein gutes Beispiel für Komplexität in der Ökologie sind die Urzeitkrebse, die in den Salzlacken des Seewinkels zu finden sind. Im Zuge ihrer Doktorarbeit untersuchte die Nationalparks Austria Forschungsstipendiatin Dunja Lukic das Fressverhalten und die geographische Herkunft dieser kleinen Krebstiere. In diesem Blogbeitrag können Sie eine Zusammenfassung der wichtigsten Informationen dieser Arbeit lesen.

(c)Roland Albert

Ein Beispiel für Komplexität in der Ökologie

Temporäre Gewässer, also Gewässer, die zeitweilig austrocken, wie Tümpel oder seichte Wasseransammlungen nach starken Regenfällen, Schneeschmelze oder Überschwemmungen, sind sehr vielgestaltig hinsichtlich ihrer Größe, Form und Wasserchemie, und beherbergen viele Arten, die speziell an diese Lebensräume angepasst sind.

Auch die Salzlacken im Nationalpark Neusiedler See - Seewinkel sind temporäre Gewässer – und ein ganz besonderer Lebensraum. Im Wechsel der Jahreszeiten schwanken diese salzhaltigen Gewässer zwischen bis zu 70 cm Tiefe und völliger Austrocknung. Vor allem die Niederschläge im Herbst und Winter gleichen die starke Verdunstung durch Wind und Sonne aus. Das periodische Austrocknen der Seewinkellacken ist entscheidend und trägt zu ihrer Erhaltung bei. Denn der Lackenboden ist nach unten hin dicht, aber steht das Grundwasser von unten an diese dichte Schicht an, wird durch die Kapillarwirkung Salz in das System Salzlacke nachgeliefert. Reißt diese Verbindung durch Absenkung des Grundwasserspiegels, süßt die Lacke aus und droht zu verschwinden. Da sich alle Lacken in chemischer Hinsicht und durch unterschiedliches Bodensubstrat unterscheiden, ist die Erhaltung der einzelnen Lacken ein wichtiges Naturschutzziel, denn intakte Salzlacken beherbergen eine einzigartige Flora und Fauna.

Pflanzen, die an die salzigen Bedingungen angepasst sind, sogenannte Halophyten, wie beispielsweise die Pannonische Salzaster haben hier gegenüber anderen Gewächsen einen entscheidenden Vorteil. Typische tierische Bewohner in den starken salzigen Lacken sind Seeregenpfeifer und Säbelschnäbler, die ihr einziges Brutvorkommen in Österreich im Seewinkel haben, wo sie in den seichten Gewässern mit aquatischen Insekten und Krebstieren ihre Hauptnahrungsquelle vorfinden.

Urzeitkrebse als wichtige Bestandteile im Nahrungsnetz der Salzlacken

Eine Gruppe dieser Krebstiere, die sogenannten Feenkrebse (Anostraca), eine für diese Gewässer besonders charakteristische Gruppe, wurde im Rahmen der Doktorarbeit von Dunja Lukic im Nationalpark Neusiedler See - Seewinkel genauer unter die Lupe genommen. Denn in den Salzlacken des Seewinkels sind u.a. zwei Arten von Kleinkrebsen, nämlich Branchinecta orientalis undm Branchinecta ferox anzutreffen. Beide Arten werden zu den sogenannten Urzeitkrebschen gezählt, die schon seit vielen Millionen von Jahren unseren Erdball besiedeln und zudem perfekt an die schwierigen Lebensbedingungen in den Salzlacken angepasst sind. Dort spielen sie eine wichtige Rolle im Nahrungsnetz, nicht nur als Nahrung für Vögel wie den Säbelschnäbler, sondern auch aufgrund ihres eigenen Fressverhaltens als Regulatoren von Plankton in diesen Gewässern.

Im Zuge der Arbeit wurde das Nahrungsspektrum dieser bislang wenig untersuchten Gruppe der Urzeitkrebse beleuchtet. Die Ergebnisse zeigen, dass Gewässertrübung durch anorganische Partikel, im Seewinkel vor allem durch Wind und die damit erzeugte Sedimentaufwirbelung hervorgerufen, unmittelbar das Fressverhalten und damit die ökologischen Vorgänge in temporären Gewässern beeinflussen. Denn während B. orientalis in klarem Wasser pflanzliches Plankton als Hauptnahrungsquelle nutzt, wird die Spezies mit zunehmender Trübung des Gewässers zum karnivoren Prädator. Um bei der Nahrungssuche einer Verwechslung von unbeweglichem pflanzlichem Plankton mit unbrauchbaren anorganischen Trübstoffen vorzubeugen, wechselt B. orientalis in Folge das Fressverhalten und nutzt vorwiegend tierisches bewegliches Plankton als Nahrungsquelle.

Die Verbreitung der kleinen Krebstiere

In einem zweiten Arbeitsschwerpunkt wurde zusätzlich die geographische Herkunft beider Arten unter Berücksichtigung ihrer historischen und gegenwärtigen Habitatvernetzung untersucht. Obwohl die Verbreitungsgebiete heute überlappen, legen die Daten nahe, dass beide Arten während der letzten Eiszeit unterschiedliche Rückzugsgebiete hatten. Da sich die genetische Diversität vor allem bei B. orientalis vergleichsweise begrenzt zeigt, wird angenommen, dass die Ausbreitung dieser Art erst kürzlich stattfand und vor allem Wasservögel durch ihr Zugverhalten eine entscheidende Rolle für ihre Ausbreitung spielen.

Die Doktorarbeit von Dunja Lukic zeigt auf beeindruckende Weise wie komplex ökosystemare Zusammenhänge sein können und dass noch viele weitere Fragen zu beantworten sind. Dazu werden die Nationalparks sowie der Dachverband „Nationalparks Austria“ weiterhin Forschung in Österreichs Nationalparks nach besten Kräften fördern und unterstützen.

 

Text: Dunja Lukic

(c)Archiv NPNSS
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