Schlangenfelsen
in Hardegg

Rangergeschichte

Langsam dringen die ersten Sonnenstrahlen durch den dichten Wald jenseits der Thaya, ein wunderschöner Morgen bricht an über Hardegg, der kleinsten Stadt Österreichs. Der kleine Ort mit seiner mächtigen Burg liegt mitten im Nationalpark Thayatal, umgeben von unberührter Natur mit reicher Pflanzen- und Tierwelt. Gerade 90 Einwohner zählt die Stadt und Nationalpark Ranger Gerhard Gutkas (Thayatal) ist einer davon.

Ein Mann sieht durch ein Fernglas.
(c)Nationalpark Thayatal

Zuhause neben dem Nationalpark

Direkt hinter meinem Wohnhaus zweigt der uralte Mühlbach, der einst das Wasserrad der Hofmühle der Herren von Hardegg in Bewegung hielt, aus der Thaya ab und nimmt seine eigene Richtung. Obwohl das alte Steingemäuer der Schleusenanlagen noch tadellos in Schuss ist, weist es zahlreiche Spalten und Ritzen auf, die inzwischen vielfältiges Leben beherbergen. Viele Pflanzen haben sich angesiedelt, Wasseramseln nutzen die Gewölbe für ihre Brutpflege, Bach- und Gebirgsstelzen setzen den Mückenschwärmen nach.

Wenn sich nun die ersten Sonnenstrahlen auf die Felsen lehnen und die nächtliche Kühle einer angenehmen Wärme weicht, erwacht auch das unterirdische Leben und wird alsbald sichtbar.

Seit dem heurigen Frühjahr gibt es nun ein paar besondere Gäste, ja es scheint als wäre hier ein neuer Versammlungsplatz für unsere heimischen Nattern eingerichtet worden. Waren es zuerst nur Würfelnattern und vereinzelt eine Ringelnatter, die hier ins Wasser gingen um ihren Hunger zu stillen, so kommt jetzt immer öfter eine Äskulapnatter auf ein Stelldichein vorbei und völlig artfremd hat sich auch eine Blindschleiche dazugesellt.

Dabei ist es nicht so, dass sich die Tiere aus dem Weg gingen oder Abstand zueinander hielten, nein, gemütlich nehmen sie miteinander verschlungen ein Sonnenbad oder ziehen sich in die gleichen Höhlen zurück, sobald ich mich etwas zu ungeduldig dem Geschehen nähere.

Fluss
(c)M. Graf

Jungen Würfelnattern auf der Spur

Jeden Morgen gibt es nun für mich ein neues Ritual auf meiner Gartenrunde, zuerst die Sonne und die Bäume begrüßen und dann auf leisen Sohlen zum Zaun geschlichen und voller Neugierde nachsehen, wer nun wieder aller da ist. Gibt es wieder ein neues Gesicht, eine neue Art oder noch mehr als gestern? Richtig süchtig kann das machen.

Nachdem nun auch fünf junge Würfelnattern das Licht des Thayatals erblickt haben, die erst den Weg zwischen den Steinplatten erkunden müssen und erste Kletterversuche an den steilen Wänden wagen, ist richtig was los am alten Wasserlauf.

Gewagt nutzen sie die kleinsten Ritzen und Vorsprünge um ins kalte Nass hinab zu gelangen. Manchmal gelingt dies auf Anhieb, meist sind jedoch mehrere Versuche nötig um ohne Absturz dem Weg der erwachsenen Tiere zu folgen.

Aber kaum im Wasser angelangt, entwickeln sie eine Eleganz und Dynamik in ihren Bewegungen, die einen Vergleich mit den echten Wasserbewohnern locker standhalten, ganz so als hätten sie nie etwas anderes gemacht.

Hurtig ziehen sie durchs Wasser, stöbern hinter Steinen und Wurzeln und schnappen nach allem was sich als fressbar entpuppt.

Satt und beinahe zufrieden nehmen sie wieder den mühsamen Aufstieg in Kauf um sich direkt vor meiner Nase die Schuppen in der Sonne trocknen zu lassen.

Und ich bin Gott und der Welt dankbar ein solches Privileg genießen zu können, inmitten der unberührten Natur des Nationalparks Thayatal dem wirklichen Leben auf der Spur zu sein und so nahe kommen zu dürfen und wende mich meinem Frühstück zu.

 

Text: Gerhard Gutkas

Eine Schlage
(c)H. Hill

Anmerkungen zur Würfelnatter

Die Würfelnatter (Natrix tessellata) ist eine stark ans Wasser gebundene Schlangenart und besiedelt in Österreich hauptsächlich die wärmebegünstigten Flach- und Beckenlandschaften Ost- und Südösterreichs. Gesicherte Nachweise existieren aus den Bundesländern Oberösterreich, Niederösterreich, Wien, Burgenland, Steiermark und Kärnten (CABELA et al. 2001). In Niederösterreich kommt diese Art außerhalb des Nationalparks schwerpunktmäßig an Krems, Kamp, Pielach, Schwechat, Leitha, der unteren March sowie vereinzelt an der Donau vor. Die Würfelnatter erreicht in Österreich und somit im Nationalpark Thayatal die nördliche Grenze ihres geschlossenen Verbreitungsareals. Als Zeigerart für intakte Flussökosysteme mit hohem Strukturangebot und Fischreichtum kommt der Würfelnatter eine große Bedeutung im Biotop- und Artenschutz zu. Durch fortschreitende Veränderung und Zerstörung ihrer Lebensräume (Intensivierung der Landwirtschaft, flussbauliche Maßnahmen, Siedlungs- und Industriebau) in den vergangenen 100 Jahren erlitt diese Schlangenart starke Bestandseinbußen (CABELA et al. 2001). Die Würfelnatter ist in Österreich in den „Roten Listen Österreichs“ (GOLLMANN 2007) als „stark gefährdet“ („endangered“) eingestuft, in Niederösterreich ebenfalls als „stark gefährdet“ (CABELA et al. 1997). In der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie wird sie im Anhang IV geführt. Dieser beinhaltet streng zu schützende Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse.

 

 
 

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