Palimpsest
Forschung in den Hohen Tauern
Der Forschungsstipendiat Jakob Vinzenz Zöbl versuchte Prozessschutz in Architektur zu übertragen. Ein Jahr lang beschäftigte er sich mit der Dichotomie zwischen Mensch und Natur sowie den Schnittpunkten die sich daraus ergeben. Dabei entstand auch die Fotoserie "City of God".
Die Arbeit untersucht das architektonische Potenzial von Infrastrukturbauten im Grenzgebiet des Nationalparks Hohe Tauern. Das Thema Prozessschutz wird dabei aufgegriffen und versucht in Architektur zu übertragen. Unser Leben ist seit jeher an ein bestimmtes Maß an Naturtransformation gebunden und wer Landschaft vor jeglichen Eingriffen schützen will, gesteht ihr Wesentliches nicht zu, Geschichtlichkeit. Bestehende Strukturen weiten sich immer weiter aus und das Land wird - wie einst in der Antike das Papier, zu einer extrem wertvollen Ressource. Diese Tatsache legitimiert zur Transformation bestehender Architektur, die keine Funktion mehr inne hat außer die konservierend museale. Während die Zusammensetzung der Stadt zwar komplex aber lesbar erscheint, stellt sich die Frage, wie dies in einem Landschaftsraum aussieht, in dem Infrastruktur zum Kontext wird. Auf einer Reise quer durch die Alpen entstand eine Faszination für die Morphologie dieser Räume. Die Umnutzung einer alten Bergbauruine an der Schwelle zur Kernzone zeigt wie diese isolierte Typologie fragmentarisch weiterentwickelt werden kann. Im Sinne des Prozessschutzes wird dabei nicht der konservierende, rekonstruierende Zustand angestrebt, sondern vielmehr der selbstregulierende und transformative. Da wo einst Unmengen an Gold abgebaut wurden, wo Transformation und Metamorphose stattfanden und wo heute noch die Ruinen der Infrastruktur sichtbar sind – wird die Landschaft wie ein Palimpsest neu beschrieben und architektonisch neu interpretiert.
Während des Forschungsstipendiums im Nationalpark Hohe Tauern ist dazu die Fotoserie “City of God” entstanden. Über ein Jahr hinweg beschäftigte sich der Autor mit der Dichotomie zwischen Mensch und Natur sowie den Schnittpunkten die sich daraus ergeben. Die Bilder sind analog auf Mittelformat fotografiert und sind als Allegorien von Zeit und Geschwindigkeit zu verstehen. Die raue Landschaft, in der diese anonymen Bauten stehen, verstärkt deren metaphysischen Ausdruck. Passstraßen schlängeln sich in der Landschaft empor, Mauern scheinen Berge zu durchschneiden. Typologien und Nutzungen, die spezifischer nicht sein könnten, lassen - dem Verfall der Zeit ausgesetzt - Interpretationsspielraum. Anpassung und Abstoßung, Melancholie und Schönheit, Bedrohung und Faszination. Die Simultanität dieser Eigenschaften bildet ein paradoxes Erscheinungsbild. Ihre Nacktheit lässt nie den Schein einer Fassade aufkommen. Wie auch die Ruine verkörpern sie einerseits das Vanitasmotiv und andererseits das transformative, imaginäre Potenzial für die Zukunft. Sie stehen für sich selbst und lassen funktional keine Interpretation zu - wohl jedoch in ihrer formalen Präsenz. Der dargestellte Entwurf ergänzt das Sonnblickobservatorium mit einer Forschungseinheit zur Untersuchung von Eisbohrkernen und beinhaltet einen Bereich für den Nationalpark. Ein Mittelstück verbindet die beiden Bereiche und ist dem Menschen frei zugänglich. Ziel ist die Aufhebung der Maschinen Ideologie mit den Mitteln der Maschine. Gegen die Funktion, gegen die Geschwindigkeit, gegen die geografische Beliebigkeit - für den Raum, für den Prozess, für den Ort.
„Architecture does not have a model in nature, it is entirely upon itself“
- Raimund Abraham
Während des Forschungsstipendiums ist auch der Kurzfilm "Remineszenz" entstanden, welcher einen Einblick in die Masterarbeit Palimpsest von Jakob Vinzenz Zöbl geben soll.
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