Harte Grenze,
grünes Band

Nationalparks Austria - Teil 6

Die Entstehung der österreichischen Nationalparks ist von einer großen Gemeinsamkeit getragen: In allen sechs Fällen hat man mit der Gründung der Nationalparks auf drohende Eingriffe in Naturlandschaften reagiert. Es ist vielen einzelnen Bürgerbewegungen zu verdanken, dass der Schutz dieser Regionen gelungen ist - mit durchaus originellen Maßnahmen. Die Nationalparks sind das Ergebnis dieser geglückten Aktionen. Wir unternehmen den Versuch einer chronologischen Erzählung. Von der Erfindung des Naturschutzes, seiner Veränderung im Wandel der Zeit und der Gründung unserer Nationalparks. Teil 6 der siebenteiligen Blog-Serie zur Naturschutzgeschichte Österreichs: Die Entstehung des Nationalparks Thayatals.

Ein Fluss im Wald mit Nebel.
(c)Stefan Leitner

Nationalpark Thayatal

Wie auch bei den anderen Nationalparks nimmt die Geschichte des Nationalparks Thayatal einen frühen Anfang. Es ist in diesem Fall die Geschichte einer folgenschweren Trennung, ist das Thayatal doch ebenso wie der Neusiedler See eine länderübergreifende Region. Man teilt sich das Tal mit Tschechien, die Grenze verläuft entlang der Thaya, einem Nebenfluss der March. 1948 errichtet das kommunistische Regime entlang eben dieser Thaya eine Grenzzone: Ab 1951 trennt der Eiserne Vorhang die Nachbarn voneinander.

Über die folgenden Jahrzehnte wird aus diesem Grenzgebiet eine „No-Go“-Zone. Was in erster Linie politisch anmutet, hat auch für den Naturraum eine enorme Relevanz. Freilich sind es zwei Wirklichkeiten, die hier aufeinandertreffen: eine realpolitische, die durch Leid und Bedrohung nachwirkt, und eine räumliche, in der sich die Natur völlig frei und ungehindert entfalten kann - und das bis spät in die 80er-Jahre hinein.

Menschen stehen auf einer Brücke und halten ein Schild mit der Aufschrift "Ja zum Nationalpark Thayatal" in die Höhe.
(c)Nationalpark Thayatal

"Ja" zum Nationalpark Thayatal

Das Erbe des Eisernen Vorhangs

Dieser „Todesstreifen“ mit Betretungsverbot in Kombination mit einem gültigen Schießbefehl der Grenzpolizei legt den Grundstein für das spätere Schutzgebiet. Eine weitestgehend unberührte Natur, die zu einer sekundären Wildnis heranwächst, das ist nahezu prädestiniert für die Errichtung eines Nationalparks. Es ist eben dieser Nationalpark, der Tschechien und Österreich dieser Tage wieder miteinander verbindet. Und doch ist es ausgerechnet die Blockpolitik der Ost- und Westmächte, die zur Entstehung des Naturjuwels Thayatal beigetragen hat - wenn auch ohne jeglicher Absicht dahingehend. So einzigartig diese Erzählung im Zusammenhang mit einem österreichischen Schutzgebiets auch ist, so bekannt mutet eine andere historische Begebenheit im Thayatal an. Denn auch hier liebäugelt man mit der Nutzung von Wasserkraft. Mitte der 1980er Jahre steht ein weiteres Kraftwerksprojekt im Raum, aber mittlerweile ist man sich der durchschlagenden Kraft gut organisierter Bürgerproteste bewusst. Die „Bürgerinitiative zur Erhaltung des Thayatales“ kann den geplanten Bau an der Thaya verhindern.

1988 erklärt man erste Gebiete im Thayatal zum Naturschutzgebiet, ein Jahr später fällt der Eiserne Vorhang. Tschechien und Österreich sind nicht länger durch einen „Todesstreifen“ voneinander getrennt. Aus dem „Todesstreifen“ wird das „Grüne Band“, eine Initiative, die sich dem Schutz solcher Grenzzonen-Bereiche verschreibt. Man hat die Entwicklung der Natur hin zur Verwilderung entlang des Grenzstreifens quer durch Europa nicht übersehen. Mittlerweile umfasst das „Grüne Band“ eine Gesamtlänge von über 12.500 Kilometern, verläuft durch 24 europäische Staaten und wird von der IUCN koordiniert. Das Erbe des Eisernen Vorhangs begegnet uns hier in Form eines beeindruckenden Naturschutzprojekts, das nicht zuletzt eindrückliches Beispiel für gelungene transnationale Zusammenarbeit in Sachen ökologischer Vernetzung abgibt.

Vertragsunterzeichnung
(c)B. Runklar

Vertragsunterzeichnung 1997

Zwei Länder, ein Tal

Bereits 1991, also nur zwei Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, wird ein weiteres Naturschutzgebiet im Thayatal ausgewiesen - jenseits der Grenze legt Tschechien Tempo vor und verwirklicht mit dem „Národní park Podyjí“ bereits einen ersten Nationalpark im Thayatal. Österreich bekräftigt daraufhin seine Entschlossenheit, es Tschechien gleichzutun und mit der Einbringung des eigenen Anteils am Thayatal einen landesübergreifenden Nationalpark zu verwirklichen. Bestrebungen dazu gibt es zur selben Zeit bereits im Burgenland, wo man mit Ungarn am ersten länderübergreifenden Nationalpark arbeitet.

Der Nationalpark Neusiedler See wird 1993 eröffnet, im Thayatal laufen indes die Vorbereitungen an. Die Betriebsgesellschaft Marchfeldkanal wird mit einer Machbarkeitsstudie für den angedachten Nationalpark Thayatal beauftragt, im niederösterreichischen Retz lädt man zur Verhandlung eines „Inter-Nationalparks Thayatal/Podyji“. Bald liegen die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie vor und sie bescheinigt einem Nationalpark Thayatal - wenig überraschend - die Aussicht auf erfolgreiche Umsetzung.

Urkundenverleihung der ersten Nationalpark Ranger
(c)Nationalpark Thayatal

Urkundenverleihung der ersten Nationalpark Rangerinnen und Ranger

Noch muss man sich mit den Grundeigentümern einigen, intensiv wird über Entschädigungszahlungen verhandelt - dann ist es soweit. 1997 unterzeichnen Bund und Land Niederösterreich den Staatsvertrag gemäß Art. 15a B-VG „zur Errichtung und Erhaltung eines Nationalparks Thayatal“. Zwei Jahre später wird das Nationalparkgesetz im niederösterreichischen Landtag beschlossen und eine Erklärung zur Zusammenarbeit in den Thaya-Nationalparks zwischen Tschechien und Österreich unterzeichnet. Letztere ist eine weitere Bekräftigung zur länderübergreifenden Kooperation, man will zusammenarbeiten, beide Nationalparks miteinander verbinden. Die offizielle Eröffnung des österreichischen Nationalparks Thayatal ergeht schließlich im Jahr 2000, die internationale Anerkennung durch die IUCN folgt im Jahr darauf. Österreich hat seinen fünften international anerkannten Nationalpark.

 

Text: Christina Geyer

Mit Unterstützung von Bund und Europäischer Union.

 

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 Mehr zum Thema Naturschutzgeschichte im siebten Teil: „Nationalpark Gesäuse. Zuwachs aus der Steiermark.“
Die Vorgeschichte gibt es im fünften Teil:" Nationalpark Kalkalpen. Rettet das Hintergebirge."

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Schwarzstorch
(c)Lisa Lugerbauer

Schwarzstorch

 
 

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