Gedanken zum Jahresbeginn:
Paradoxer Wintersport?

Nationalpark Hohe Tauern

Wenn ich mir meine Tourenski schnappe und in die winterliche Landschaft hinausgehe, werde ich mir immer wieder eines Paradoxons bewusst: In den Bergen unterwegs zu sein, ist gut für mich. Nicht in den Bergen unterwegs zu sein, ist gut für andere und die Natur ganz allgemein. Wie soll ich mich verhalten – meinen Mitmenschen und der Berg-, Natur- und Kulturlandschaft gegenüber?1
Gedanken zum Wintersport von Elisabeth Fladerer, Nationalpark Hohe Tauern

Eine frischgezogene Langlaufspur vor einem Bergpanorama
(c) NP Hohe Tauern

Worum geht es dir, wenn du in der Natur unterwegs bist? Die Anzahl der Likes für eine Tour, ein Schneehuhn mehr oder weniger in der Landschaft, ein Einsatz mehr oder weniger für die Bergrettung,...

Bedeutungsvoll oder bedeutungslos?

Für mich ist die Frage, ob bedeutungsvoll oder bedeutungslos, nicht so einfach zu beantworten. Denn in meiner Brust schlagen mindestens zwei Herzen. Ein Jahr ohne Sport in den Bergen ist für mich wie ein Tag ohne einen guten Kaffee und meine geliebten Haferflocken. Unvorstellbar!  Das Gefühl von Freiheit, das ich in den Bergen verspüre. Unverzichtbar! Das Beobachten von Wildtieren. Faszinierend! Die eigene Spur in frischem Tiefschnee, allein am Gipfel. Märchenhaft! Während ich diese Zeilen schreibe, frage ich mich:

Nehme ich das alles oft als viel zu selbstverständlich hin?

Mir wird einmal öfter bewusst: All diese Dinge, welche mir wirklich viel bedeuten, sind untrennbar mit einer intakten Berglandschaft sowie einer einzigartigen Naturkulisse verbunden. Das zu schützen und zu bewahren, was ich liebe, ist deshalb meines Erachtens eine logische Konsequenz.

Ein schneebedecktes Gebirge
(c) NP Hohe Tauern

Als Skitourengeher:innen genießen wir gerne die Natur abseits der reglementierten Pisten. Mit mehr Freiheit kommt mehr Verantwortung für das eigene Tun und Handeln im Naturraum. Ein Naturraum, in dem Erleben für Naturnutzer:innen und Leben für die zahlreichen Tierarten gleichermaßen möglich sein soll. Wir bewegen uns freiwillig im Lebensraum von Gams, Schneehuhn und Co. Die sind dort zu Hause. Jeden Tag. Wir nicht. Wir übernachten und essen anderswo. Wir sind also dafür verantwortlich, dass wir der Natur, in der wir uns bewegen, und den darin lebenden Wildtieren keinen Schaden zufügen.

Wir sind für uns und unsere Sicherheit verantwortlich sowie für die Sicherheit anderer Tourengeher:innen. Wir sind verantwortlich dafür, wie wir mit den Interessen, dem Eigentum und der Privatsphäre von Einheimischen, Anrainer:innen, Grundeigentümer:innen oder Pächter:innen im Bereich der Skitourengebiete umgehen. Fast nie treffe ich als Naturnutzerin Entscheidungen ohne Auswirkungen auf andere Naturnutzer:innen oder die Natur. Sich dieser Verantwortung bewusst zu sein und Rücksicht, Respekt und Verständnis als "Pflichtausrüstung" mitzuführen, ist entscheidend für ein Miteinander in der winterlichen Naturlandschaft.

(c) Stefan Schmiedhofer

I believe that slowing down is (...) important, in a planet without infinite resources, we need to slow to a pace that isn’t extinguishing them, and right now, we are running at a sprint pace in a race that is the longest ultra we can imagine, (...).

That’s probably the hardest in today’s overloaded world—to find a journey of simplicity where happiness, as easy as it sounds and as complicated as it is, is at its center.

(Kilian Jornet, professional athlete)

Zu einem Miteinander in der winterlichen Naturlandschaft gehört auch, sich selbst und seine Vorhaben kritisch zu hinterfragen, sich manchmal etwas zurückzunehmen, nicht die erste Spur zu ziehen oder auch ganz auf einen Besuch der Natur zu verzichten - damit wir an einem anderen Tag wieder mit rasanten Abfahrten und traumhaften Ausblicken den Nationalpark und die Tourismusregion Osttirol in vollsten Zügen und mit bestem Gewissen genießen können. Denn in der schnelllebigen Welt, in der oft das Konsumverhalten unser Handeln regiert und die Likes in den sozialen Medien das Selbstwertgefühl diktieren, ist die Natur ein Ruhe spendender Gegenpol.

Die Anzahl der Likes für eine Tour, ein Schneehuhn mehr oder weniger in der Landschaft, ein Einsatz mehr oder weniger für die Bergrettung,...

Bedeutungsvoll oder bedeutungslos?

Diese Frage muss jeder für sich beantworten. Fest steht jedoch: Bereits kleine Veränderungen in unserem Verhalten, welche uns bedeutungslos erscheinen, können im Winter von überlebenswichtiger Bedeutung für Wildtiere sein. Deshalb sollte sich jeder, der in der winterlichen Landschaft unterwegs ist, zumindest die folgenden Fragen stellen:

1. Welches Tier könnte ich wo stören?

2. Wo liegen Schutzgebiete oder Wildtierruhezonen?

3. Um welche Uhrzeit bin ich unterwegs?

4. Bewege ich mich auf ausgewiesenen und viel begangenen Routen oder abseits davon?

5. Habe ich einen Hund bei mir?

6. Sind Jungwaldabschnitte auf meinem Aufstiegs- oder Abstiegsweg?

 

1Dauer, Tom (2023): Das Ruhezonen-Paradox, in: bergundsteigen, Bd.122, S. 182, https://www.bergundsteigen.com/wp-content/uploads/2023/03/bergundsteigen-122-seite-128-kolumne-das-ruhezonen-paradox.pdf, zuletzt aufgerufen am 30.12.2023.

Weitere Infos:

Die Nahaufnahme einer Gämse im Schnee
(c) NP Hohe Tauern

Text: Elisabeth Fladerer
[28.12.2023]

 
 

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