Einfluss von Landnutzungsveränderungen
auf Dungkäfer

Forschungspreis

Elisabeth Glatzhofer beschäftigte sich während ihrer Masterarbeit im Nationalpark Donau-Auen und Neusiedler See - Seewinkel mit dem Einfluss von Landnutzungsveränderungen und landwirtschaftlichen Praktiken auf die Dungkäferfauna Ostösterreichs.

Stierkopf-Dungkäfer
(c)Elisabeth Glatzhofer

Stierkopf-Dungkäfer

Rückgang der Weidewirtschaft in Ostösterreich

Die Kulturlandschaft Mitteleuropas durchlief im letzten Jahrhundert durch Intensivierungen und Strukturänderungen im Agrarsektor einen starken Wandel. Dabei gingen viele traditionelle Landnutzungsformen verloren und die durch sie entstandene Lebensräume mit den dazugehörenden Arten stark zurück. In Ostösterreich betrifft dies insbesondere die traditionelle Weidewirtschaft mit Freilandhaltung und extensiven Hutweiden, die in dieser Region seit ihrer Besiedlung die vorwiegende Form der Landnutzung war. Dadurch war diese Region von weitläufigen, artenreichen Weide- und Offenlandschaften geprägt. Durch die zunehmende Stallhaltung sind viele dieser Lebensräume mittlerweile jedoch verschwunden, was sich auch im Rückgang der typischen Offenlandarten widerspiegelt. Eine der am stärksten betroffenen Artengruppen sind die Dungkäfer, die direkt an Weidetiere und deren Dung angewiesen sind. Im pannonischen Ostösterreich sind innerhalb des letzten Jahrhunderts 38% der Arten ausgestorben.

Rinder auf einer Wiese
(c)Elisabeth Glatzhofer

Schlüsselrolle der Dungkäfer in Weideökosystemen und ihr Nutzen für die Landwirtschaft

Dies ist besonders problematisch, da Dungkäfer essenzielle Aufgaben in Weideökosystemen übernehmen: Das Vergraben des Dungs und die Fraßaktivität der Larven sorgt einerseits für den Abbau des Dungs, was neue Fraßfläche für Weidetiere schafft und verhindert, dass Giftstoffe des eingetrockneten Dungs durch den Wind vertragen werden. Andererseits gelangen Nährstoffe aus dem Dung wieder zurück in den Boden, wodurch die Bodenqualität verbessert und die Nährstoffverfügbarkeit für Pflanzen erhöht und somit deren Wachstum gefördert wird. Das Einbringen der im Dung enthaltenen Pflanzensamen in den Boden trägt erhöht zusätzlich deren Wachstum und Verbreitung. Das Grabverhalten der Dungkäfer verbessert auch die Bodenstruktur und erhöht die Bodendurchlüftung und die Wasserdurchlässigkeit. Außerdem helfen sie bei der Schädlingskontrolle und stellen sie eine wichtige Nahrungsquelle für viele Vogel- und Fledermausarten dar. So sind insbesondere einige seltene Vogelarten, die nur oder bevorzugt auf Weideflächen vorkommen, von diesen Insekten abhängig.

Landnutzungsveränderungen prägen Dungkäferzönosen für über 150 Jahre

Ziel dieser Masterarbeit war es, diese Landnutzungsänderungen in der Region zu quantifizieren und deren Einfluss und jenen von gewissen landwirtschaftlichen Praktiken auf die Dungkäferfauna zu untersuchen. Dafür wurden 34 Weiden in der pannonischen Region (Österreich und Tschechien) untersucht, darunter befanden sich auch eine im Nationalpark Donauauen in Eckartsau, und mehrere Weiden im Nationalpark Neusiedlersee-Seewinkel. Diese Weiden wurden auf Dungkäfer beprobt, Informationen zu Bewirtschaftungspraktiken gesammelt und die Landnutzungsänderungen im Umkreis analysiert. Für letzteres wurden Karten und Luftbildern seit 1900 digitalisiert. Dies ergab für die Region insgesamt eine dreifache Zunahme der Siedlungsgebiete, eine 50%ige Zunahme der Waldfläche und eine 50%ige Reduzierung der Weideflächen.

Die Modellierung der Auswirkung dieser Landnutzungsveränderungen auf die Dungkäferfauna ergab, dass die historischen Landbedeckungsdaten von 1900 die aktuelle Artenvielfalt am besten beschreiben, was auf langanhaltende Auswirkungen der Landnutzungsänderungen hindeutet (über mindestens 150 Jahre!). Man spricht hier von sogenannter „Aussterbeschuld“ (auf Englisch „extinction debt“ bzw. „time-lag“), das heißt, dass die Arten eines Lebensraums langsamer aussterben als sich der Lebensraum verändert, weil sie verzögert auf diese Veränderungen reagieren. Dieses Phänomen ist hauptsächlich von langlebigen und wenig mobilen Arten bekannt, in dieser Studie konnte aber gezeigt werden, dass dies auch auf kurzlebige und sehr mobile Artengruppen wie Dungkäfer zutrifft. Außerdem wurde gezeigt, dass verschiedene ökologische Gilden von Dungkäfern in unterschiedlichem Maße von den Landnutzungsänderungen betroffen sind.

Sammeln von Dungproben
(c)Elisabeth Glatzhofer

Schutzgebiete dienen als wertvolle Referenz zum bewirtschafteten Wald. Somit kann Forstwirtschaft naturnäher werden.

Entwurmungsmittel führen zu massiven Einbrüchen der Artenzahlen

Unter den Viehhaltungsmethoden erwies sich der Einsatz von Tierarzneimitteln als der Faktor mit den stärksten negativen Auswirkungen auf die Gesamtartenvielfalt. Weiden mit unbehandelten Tieren, wie jene in den Nationalparks Donauauen und Neusiedlersee-Seewinkel, weisen eine deutlich höhere Dungkäfervielfalt auf. Dies ist bereits aus Studien zu diesem Thema aus anderen Ländern bekannt. Die Antiparasitika sollen Weidetiere vor Wurmbefall schützen – allerdings wird nur ein Bruchteil davon verstoffwechselt, der Rest gelangt dann mit dem Dung auf die Weide. Da diese Mittel, die nur sehr langsam zerfallen und somit lange in der Natur verbleiben, auf alle wirbellosen Tiere wirken, verenden auch die Dungkäfer die am Dung behandelter Tiere fressen.

Conclusio

Die Ergebnisse der Studie bieten wichtige Erkenntnisse für mögliche Arterhaltungsmaßnahmen von Dungkäfern. Die langanhaltenden Auswirkungen von Landnutzungsänderungen unterstreichen die Bedeutung des Schutzes und der Förderung extensiver Weidesysteme in der Untersuchungsregion. Darüber hinaus sollte der prophylaktische Einsatz von Tierarzneimitteln reduziert werden.

 

[Text: Elisabeth Glatzhofer]

 
 

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Einfluss von Landnutzungsveränderungen und landwirtschaftlichen Praktiken auf die Dungkäferfauna Ostösterreichs

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