Ein Steppensee
mit Kultur

Nationalparks Austria - Teil 3

Die Entstehung der österreichischen Nationalparks ist von einer großen Gemeinsamkeit getragen: In allen sechs Fällen hat man mit der Gründung der Nationalparks auf drohende Eingriffe in Naturlandschaften reagiert. Es ist vielen einzelnen Bürgerbewegungen zu verdanken, dass der Schutz dieser Regionen gelungen ist - mit durchaus originellen Maßnahmen. Die Nationalparks sind das Ergebnis dieser geglückten Aktionen. Wir unternehmen den Versuch einer chronologischen Erzählung. Von der Erfindung des Naturschutzes, seiner Veränderung im Wandel der Zeit und der Gründung unserer Nationalparks. Teil 3 der siebenteiligen Blog-Serie zur Naturschutzgeschichte Österreichs: Die Entstehung des Nationalparks Neusiedler See.

Holzsteg im Schilf
(c)Stefan Leitner

Nationalpark Neusieder See - Seewinkel

Die Geschichte der österreichischen Nationalparks beginnt im Fall der ersten beiden Nationalparks des Landes mit sogenannten Flächensicherungen. Es sind Privatiers, die bedrohte Gebiete erwerben und so unter Schutz stellen. Im Nationalpark Hohe Tauern wirken Naturschützer Guttenberg und Politiker Prinzinger bereits vor dem Ersten Weltkrieg auf den Verein Naturschutzpark ein und veranlassen diesen zum Ankauf von Flächen im Salzburger Pinzgau. Unmittelbar nach dem Weltkrieg ist es dann Mäzen Albert Wirth, der die Schenkung des Großglockner-Gebiets an den Alpenverein erwirken kann.

Der Erwerb von bedrohter Natur kennt verschiedene Formen: den klassischen Ankauf (Verein Naturschutzpark im Pinzgau), die Schenkung unter Auflage (Wirth im Glocknergebiet) sowie die Anpachtung. Zu einer solchen entschließt sich in den 1930er-Jahren der Österreichische Naturschutzbund (ÖNB) - und zwar am Neusiedler See im Burgenland. Eine weitere Pacht wird schließlich Anfang der 60er-Jahre übernommen. Sie zielt auf den Schutz einer großen Hutweide, Pächter ist der frisch gegründete WWF Österreich.

Grasflächen und Schilf
(c)Hannah Assil

Eine kleine Brücke für das Burgenland

Kein Jahrzehnt später ergeht im burgenländischen Landtag der Beschluss zur Errichtung einer „Neusiedler-See-Brücke“. Sie soll quer über den Neusiedler See verlaufen und das Westufer mit dem Ostufer verbinden. Zehn Kilometer Luftlinie trennen Illmitz im Osten von Mörbisch im Westen, mit dem Auto braucht man für diese kurze Distanz jedoch eine Stunde. Man muss den halben See über 60 Kilometer umrunden. Die Brücke soll das ändern und die Anbindung des Seewinkels aufwerten.

Zugleich, so hofft man, würde sie dem Burgenland auch gleich einen modernen Anstrich geben. Das Brücken-Projekt zeitigt den Zeitgeist des Wirtschaftsbooms: Fortschrittlich will man sein, ein Prestigeprojekt realisieren und mit einer angedachten Länge von über drei Kilometern nicht weniger als die damals zweitlängste Brücke Europas errichten. Ein „Komitee zum Schutz des Neusiedler Sees“ formiert sich, einmal mehr glückt die Abwehr dieses Großprojekts. Bis heute gibt es keine Brücke über den Neusiedler See.

Neusiedler See
(c)Rupert Kogler

Zwei Länder, ein See

Ende der 70er Jahre stellt Ungarn weite Teile seiner Gebiete am Neusiedler See unter Naturschutz, Österreichs Anteil wird zum UNESCO-Biosphärenreservat erklärt. Die länderübergreifende Zusammenarbeit drängt sich spätestens jetzt auf, immerhin teilt man sich einen See. Die Absichtsbekundungen finden sich schließlich verschriftlicht im sogenannten „Mattersburger Manifest“, das die Errichtung eines länderübergreifenden Nationalparks Neusiedler See als „Modell zwischenstaatlicher Zusammenarbeit“ vorsieht. Zunächst wird der österreichische Anteil am Neusiedler See noch zum Natur- und Landschaftsschutzgebiet erklärt, bald darauf wird er gemeinsam mit den Lacken im Seewinkel nach der Ramsar-Konvention geschützt, einem internationalen UNESCO-Übereinkommen zum Schutz von Feuchtgebieten.

Mit Ausklang der 80er-Jahre kommt endlich Bewegung in die Umsetzung. Neuerliche Absichtserklärungen werden von Österreich und Ungarn abgegeben, die burgenländische Landesregierung beauftragt schließlich einen eigens eingerichteten Arbeitsausschuss mit den Vorbereitungsarbeiten für einen Nationalpark Neusiedler See. 1989 zerbricht der Ostblock, der Eiserne Vorhang fällt - auch zwischen Österreich und Ungarn. Und jetzt kann es kaum noch schnell genug gehen. Nur zwei Jahre später erklärt Ungarn bereits erste Gebiete im Süden des Neusiedler Sees zum Nationalpark Fertő-Hanság. Unmittelbar darauf beschließt der burgenländische Landtag das Nationalparkgesetz für das österreichische Gebiet am See. 1993 tritt das Gesetz in Kraft, der Nationalpark Neusiedler See in Österreich wird als landesweit zweiter Nationalpark eröffnet.

Schutzgebietstafel Ramsar
(c)Archiv NPNSS
Tafel Nationalpark Neusiedler See - Seewinkel
(c)Archiv NPNSS

Der See, die Kultur und die Wildnis

Noch im selben Jahr ratifiziert Österreich mit dem „Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt“ einen Völkerrechtsvertrag, der seine Wirksamkeit für den Neusiedler See noch entfalten wird. Mit der Jahrtausendwende schafft es die Kulturlandschaft am Neusiedler See auf die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes. Sie sei, so heißt es, „von außergewöhnlichem und universellem Wert“. Das Zusammenspiel aus Kultur- und Naturlandschaft begründet nicht nur die Besonderheit des pannonischen Schutzgebiets, sondern auch seine Ausnahmestellung innerhalb der österreichischen Nationalparks. Wildnis teilt sich hier ein Bett mit einer über Jahrtausende gewachsenen Kulturlandschaft. Natur und Kultur gehen am Neusiedler See Hand in Hand, sie lassen sich nicht auseinanderdividieren.

Diese Sonderstellung wird auch von der IUCN anerkannt. Obwohl der Nationalpark Neusiedler See in Sachen Prozessschutz nicht auf die vorgeschriebene Fläche von 75% kommt, erhält er als erster Nationalpark Österreichs das IUCN-Gütesiegel für Schutzgebiete der Kategorie II. Mit diesem Akt der Zertifizierung erkennt die Weltnaturschutzunion den Stellenwert der pannonischen Kulturlandschaft an. 1999 unterzeichnen Bund und Land den Staatsvertrag (Art. 15a B-VG) über die „Erhaltung und Weiterentwicklung des Nationalparks Neusiedler See-Seewinkel samt Anlagen“. Österreich hat nun zwei Nationalparks. Mit ihnen werden diverse Lebensräume geschützt: Im Hochgebirge (Hohe Tauern) und nun auch an einem Steppensee (Neusiedler See).

 

Text: Christina Geyer

Mit Unterstützung von Bund und Europäischer Union.

 

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Mehr zum Thema Naturschutzgeschichte im vierten Teil: „Nationalpark Donau-Auen. Eine Besetzung mit Wirkung.
Die Vorgeschichte gibt es im zweiten Teil: "Nationalpark Hohe Tauern. Der Erste seiner Art."

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Vögel stehen im Wasser
(c)Doris Wegleitner

 
 

Gefördert durch Bund sowie Europäischer Union.

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