Bäume
der Zukunft
"Durch den Arten- und Lebensraumreichtum im Nationalpark Thayatal gibt es hier unzählige Möglichkeiten spannenden wissenschaftlichen Rätseln auf den Grund zu gehen und die daraus gewonnenen Erkenntnisse dann auch in die Praxis zu übersetzen."
Aufgewachsen in einem kleinen Dorf im Waldviertel, waren die Bäche, Wälder und Wiesen schon immer Julian Haiders (Thayatal) Spielplatz. Neben seinen Tätigkeiten als selbstständiger Biologe, Nationalparkranger und Bio-Gärtner beschäftigt er sich seit einigen Jahren auch intensiv mit "Rewilding" - dem Erforschen und Erlernen von Kultur- und Überlebenstechniken unserer prähistorischen Vorfahren. All diese Leidenschaften fließen zusammen, wenn Julian Besucher:innen durch die Wildnis im Nationalpark Thayatal begleitet.
Forschen im Thayatal.
Es ist ein kalter Septembermorgen im Thayatal und in ungefähr einer Stunde wird die Sonne aufgehen. Wir schlagen uns durch die Dunkelheit über einen holprigen Pfad hinauf zu einer Felswand, die sich hoch über das Thayatal erhebt und uns einen grandiosen Ausblick auf die wilde und unberührte Natur des Nationalparks verspricht.
Doch fangen wir von vorne an.
Als ausgebildeter Biologe und Nationalpark Ranger bin ich neben der Naturvermittlungsarbeit mit Menschen auch sehr an der Forschung im Nationalpark interessiert. Durch den Arten- und Lebensraumreichtum im Nationalpark Thayatal gibt es hier unzählige Möglichkeiten spannenden wissenschaftlichen Rätseln auf den Grund zu gehen und die daraus gewonnenen Erkenntnisse dann auch in die Praxis zu übersetzen. So erhalte ich im Winter 2019 die Möglichkeit bei einem sehr interessanten Forschungsprojekt mitzuarbeiten. Das Projekt läuft unter dem Namen „TERZ“ was ein Akronym für „Thayataler Eichen, waldgenetische Ressourcen für die Zukunft“ ist. Die Idee dahinter ist, dass die großteils unberührten Traubeneichenbestände, die vereinzelt auf südexponierten, trockenen Hängen im Nationalpark vorkommen, eventuell Saatgut liefern könnten, um neue Bäume zu ziehen. Von diesen neuen Bäumen könnten Nachkommen entstehen, die sehr gut an trockene und warme Bedingungen angepasst sind und dadurch, in Zeiten des Klimawandels, auch für Wirtschaftswälder eine Möglichkeit der nachhaltigen Bewirtschaftung bieten könnten.
Kurz vor Weihnachten 2019 starte ich meine Erkundungstouren. Für mehrere Tage streife ich durch das Nationalparkgebiet und suche nach Traubeneichenpopulationen, die für dieses Projekt geeignet sein könnten. Bei meinen Begehungen werde ich immer wieder daran erinnert, warum ich das Thayatal so liebe. Jetzt im Winter ist es sehr leise hier, nur die Thaya hört man immer wieder rauschend über das Flussbett fließen. In der dünnen Schneeschicht sind viele Spuren zu finden und ich halte besonders nach Katzenspuren Ausschau, denn hier wird auch immer wieder die extrem seltene Europäische Wildkatze nachgewiesen. Ich finde keine Katzenspuren aber auch eine Fischotterspur, die sich ungefähr 150 Höhenmeter über dem Fluss über einen Trockenrasen schlängelt, versetzt mich in Begeisterung. In dieser Winterstille ist so viel los im Thayatal und ich habe die Möglichkeit als Ranger diese unglaubliche Natur erleben, bewundern und erforschen zu können – ich empfinde Dankbarkeit.
Einmal Eichhörnchen sein.
Ich finde genügend Eichen für das Projekt. Im Laufe des Frühjahres komme ich mit Kollegen des Bundesforschungsinstitutes für Wald (BFW) und der BOKU einige Male wieder hier her, in die entlegenen Winkel des Nationalparks. Wir markieren und verorten unsere Probebäume, nehmen Gewebeproben um das Alter und den Zuwachs zu bestimmen. Die 100 geeignetsten Bäume werden ausgewertet und schließlich ist Herbst und das große Sammeln beginnt. Mehrere Tage sammeln wir Eicheln von den ausgewählten Traubeneichen. Pro Baum sollen es 100 Samen sein, das dauert!
Und hier schließt sich langsam der Kreis. Es ist ein kalter Septembermorgen kurz vor Sonnenaufgang. Gemeinsam mit einem Filmteam von einer Universum Produktionsfirma stehen wir oben auf der Felswand, wo eine imposante Traubeneiche, die auch Teil des Projekts war, in Szene gesetzt wird, während die ersten Sonnenstrahlen in dunklen Orangetönen über den Horizont blinzeln. Tief unter uns liegt die Thaya, die von einer Morgennebeldecke, die sich ganz langsam auflöst, umhüllt ist. Die Filmemacher wissen natürlich genau, wann und wo man sein muss um die schönsten Bilder zu erzeugen. Während ich hier sitze, der aufgehenden Sonne zusehe und meine Momente, dich ich im Winter, Frühling, Sommer und Herbst an diesen schönen Traubeneichenstandorten hatte, revuepassieren lasse, merke ich, dass es hier aber auch echt nicht schwer ist, schöne Bilder zu erzeugen. Diese Landschaft aus waldbedeckten Hügeln, zerklüfteten Felsen, wildem Fluss und offenen Trockenrasen ist einfach ein Naturjuwel!
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