Amphibien
on ice?
"Es schadet uns als Gesellschaft nicht, ab und zu daran erinnert zu werden, dass wir nicht außerhalb der Natur stehen, sondern Teil von ihr sind."
Nationalpark Rangerin Eva Pölz (Donau-Auen) erzählt in ihrer Rangergeschichte von den verschiedenen Strategien, die unsere heimischen Amphibien entwickelt haben, um den Winter zu überstehen.
Wer ist hier das Tier?
Wenn man als Landwirbeltier auf die Welt gekommen ist, hat man entweder Fell, oder Federn oder nichts davon. Bitte einmal an sich hinabblicken und nachschauen, was auf einen selbst zutrifft.
Ja, auch Kopf- und Körperbehaarung gilt als Fell. Mit jeder Schulklasse vollzieht sich die darwinistische Kränkung aufs Neue, wenn ich mit den Kindern Säugetiermerkmale bespreche und an sich selbst überprüfen lasse. „Aber wir sind keine SäugeTIERE! Wir sind Menschen!“ schallt es empört durch den Wald. Doch, gerade eben bewiesen: äußere Ohrmuscheln, Fell, als Baby gesäugt worden, zum Beispiel. Und damit verwandt mit Fledermaus, Biber, oder was wir sonst gerade im Nationalpark an Säugetieren besprechen. Es schadet uns als Gesellschaft nicht, ab und zu daran erinnert zu werden, dass wir nicht außerhalb der Natur stehen, sondern Teil von ihr sind.
Aber zurück zum Fell:
Fell ist praktisch, weil es eine isolierende Wirkung hat. Diese Funktion unterstützt den Körper dabei, die eigene Temperatur unabhängig von der Umgebungstemperatur auf einem gleichen Niveau zu halten. Säugetiere gehören damit zusammen mit den Vögeln (bei denen Federn diese Funktion übernehmen) zu den sogenannten gleichwarmen Tieren. Doch trotz Fell geht das ständige Heizen oder Kühlen mit einem hohen Energieverbrauch einher und wir müssen daher viel und oft essen! Was aber tun, wenn der Kühlschrank nicht immer prall gefüllt ist? Bei Insekten als Hauptnahrungsmittel muss man da im Winter schon kreativ werden, denn dann sind ebendiese rar: entweder gestorben oder zwar vorhanden, aber im Boden oder unter Baumrinde versteckt und für viele damit unerreichbar. Etliche insektenfressende Vögel ziehen daher in den Süden, wo auch im Winter keine Nahrungsknappheit herrscht, Igel und Fledermäuse als weitere Insektenfresser halten einen Winterschlaf.
Achterbahn Körpertemperatur
Bei den, ebenfalls vor allem wirbellose Nahrung zu sich nehmenden Amphibien ist nicht allein die Nahrungsknappheit im Winter ausschlaggebend für die Überwinterungsstrategie: als Landwirbeltiere ohne Fell oder Federn (nackte Tiere, huch!) schwankt die Körpertemperatur und ist abhängig von den äußeren Bedingungen, der Witterung. Der Körper kann nicht selbst kühlen oder heizen, nur Verhalten kann die eigene Temperatur beeinflussen: sonnen zum Aufwärmen, kühle Verstecke aufsuchen um ein Überhitzen zu vermeiden zum Beispiel. Temperaturextreme sind den meisten Amphibien ein Gräuel. Kein Wunder, dass die meisten Arten in den Tropen und Subtropen zu finden sind. Und im Winter? Donau-Kammmolch und Erdkröte müssen rechtzeitig frostfreie Verstecke mit am besten konstant hoher Luftfeuchtigkeit aufsuchen und fallen dort in eine Winterruhe, deren Beginn und Ende sie im Gegensatz zu Säugetieren im Winterschlaf nicht selbst beeinflussen können. Der Stoffwechsel wird verlangsamt, die Atmung erfolgt bei sehr geringer Aktivität über die Haut. Praktischerweise ersparen auch sie sich dadurch, wie ihre Kollegen im Pelz, die erschwerte Nahrungssuche im Winter. Amphibien sind aber nicht monatelang inaktiv- bei milden Wintertemperaturen können sie durchaus mobil sein. Und einige Arten sind sowieso kältetoleranter als andere- Feuersalamander und Grasfrosch zum Beispiel sind immer wieder auch im Schnee anzutreffen.
Wasserfrosch auf Herbergsuche
Weit unbeachteter als die Wanderung im Frühling zum Laichgewässer vollzieht sich die Wanderung der Amphibien zum Winterquartier. Im Frühling springt die geballte Wanderung der sogenannten Explosivlaicher ins Auge: in den Donau-Auen sind das zum Beispiel Springfrosch und Erdkröte, die in großer Zahl oft innerhalb weniger Tage bis Wochen alle zur selben Zeit ihre Fortpflanzung bestreiten um danach wieder den Landlebensraum aufzusuchen. Die Herbstwanderung verläuft nicht ganz so konzentriert, auch wenn hier milde, feuchte Nächte den einen oder anderen großen Schub auslösen können. Manche Amphibien wandern zu speziellen Winterquartieren, andere versuchen schon im Herbst ein Stück Weg zum Laichgewässer hinter sich zu bringen, überwintern am Weg dorthin oder rund um das Gewässer, manche sogar im Gewässer (vor allem Wasserfrösche, Molche und Grasfrösche, seltener Springfrösche, in einzelnen Fällen sogar Larven von Knoblauchkröten, Wasserfröschen und Molchen, sowie ganz selten neotene* Molche). In kleinen, stehenden Gewässern kann es bei einer über einen langen Zeitraum geschlossenen Eisdecke vorkommen, dass die im Schlamm eingegrabenen Amphibien aufgrund von Sauerstoffmangel sterben. Zur Risikostreuung überwintern daher nie alle Tiere einer Population im Gewässer.
Der herbstliche Amphibienzug erinnert auf jeden Fall ein bisschen an die Herbergssuche, denn viele Weibchen (nicht alle, denn nur ein gewisser Anteil der Population beteiligt sich jedes Jahr an der Fortpflanzung) sind hochträchtig. Im Winter während der Ruheperiode können die Eier nicht heranreifen und im Frühjahr muss es dann schnell gehen- ähnlich wie bei Bäumen, die die Knospen für das nächste Frühjahr auch bereits im Spätsommer anlegen, um dann ganz schnell austreiben zu können.
Der Frosch und der Frost
Welche Winterverstecke für Amphibien geeignet sind, stellt sich erst im Verlauf des Winters heraus. Im schlimmsten Fall können diese Versuche tödlich enden, wenn das Quartier der Wahl doch nicht frostfrei war (wobei einige Arten leichten und langsam eintretenden Frost zu überleben vermögen), aber auch, wenn es nicht gelungen ist, im Sommer und Herbst genügend Nahrungsreserven aufzubauen, kann die Sterblichkeitsrate beim ersten Überwinterungsversuch relativ hoch sein. Doch wer den ersten Winter überlebt hat, hat gute Chancen noch älter zu werden, denn die Tiere können sich die Verstecke merken und in den folgenden Wintern wieder dorthin zurückkehren. Über die Jahre (und einige Amphibienarten werden im günstigsten Fall deutlich über 10 Jahre alt) legen die Tiere eine Landkarte im Kopf an und sind in vertrautem Gelände mit ihren vielen Sinnen (Geruch, Optik Gehör, Feuchtigkeit, Gestirne, Magnetfeld) gut orientiert.
Geeignete Winterverstecke können Kleinsäugerbauten sein, selbst gegrabene Unterschlüpfe, Totholz und Mulm, Wurzelstöcke, Erdspalten, Holz-, Stein- und Laubhaufen, Felsspalten und Höhlen. In einem unaufgeräumten Nationalpark gibt es ein sehr gutes Angebot an wertvollen Winterquartieren! Gute Verstecke werden oft nicht nur von einem einzelnen Individuum genutzt, sondern von vielen gleichzeitig. Von Feuersalamandern zum Beispiel sind Massenquartiere im Wienerwald bekannt, in denen bis zu 190 Exemplare gleichzeitig den Winter überdauern. Dies wurde durch Fotofallen und anhand der Individualzeichnung der einzelnen Tiere gut dokumentiert. Aber auch artübergreifend wird in Winterquartieren gekuschelt. Rücken an Rücken können sogar Prädator und Beute (zum Beispiel Ringelnatter und Teichmolch) in stiller Waffenruhe den Winter verbringen.
Wo genau Amphibien tatsächlich überwintern oder sich prinzipiell an Land aufhalten ist noch wenig erforscht. Ein innovativer Ansatz wird von meiner Kollegin in den benachbarten Marchauen verfolgt: Sie hat ihren Hund auf Donau-Kammmolch-Geruch trainiert. Nun kann er ihr helfen, diese seltene Molchart im Landlebensraum und Winterquartier aufzuspüren.
Meine Helden die Amphibien
Nach der erfolgreichen Überwinterung kommen im Frühling die Amphibien unter Umständen ziemlich abgemagert wieder aus ihren Verstecken. Am Amphibienzaun schrecken sich die Kinder zuweilen, wenn regelrechte Klappergestelle im Kübel sitzen. Denn bevor jene Amphibienarten, welche sich zeitig im Jahr paaren, das erste Mal nach der Winterpause Nahrung zu sich nehmen, wird erst einmal das Fortpflanzungsgeschäft erledigt. Man muss schließlich Prioritäten setzen.
Dieser Tage (es ist Mitte Jänner während ich dies schreibe) wurde schon die eine oder andere platte Erdkröte auf der Straße gesichtet- sobald es wärmer wird, machen sie sich auf den Weg, manchmal eben auch schon im Jänner oder im Februar. Wie sich einerseits mildere, andererseits schneelosere (Schnee isoliert zusätzlich, während vom Regen nasse Erde eher durchfriert) Winter auf die Überwinterung der Amphibien auswirkt ist noch unzureichend erforscht. Es gibt noch viel zu tun!
Auf jeden Fall können wir jedem Amphib, dem wir im zeitigen Frühling begegnen, erst einmal ausgiebig zur erfolgreichen Überwinterung gratulieren. Und was hast du so im Winter geleistet?
* unter Neotenie versteht man die Beibehaltung von Larvenmerkmalen (z. B. äußere Kiemen) bei gleichzeitigem Eintreten der Geschlechtsreife. Neotene Molche leben dauerhaft im Wasser und können Samenpakete absetzen bzw. Eier legen. Die Ursachen der Neotenie sind noch weitgehend unerforscht.
Text: Eva Pölz
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