17. Tage der Artenvielfalt
im Defereggental in Osttirol
Von 21.-23. Juli fanden die diesjährigen Tage der Artenvielfalt im Defereggental im Nationalpark Hohe Tauern Tirol statt. Rund 70 ehrenamtliche Expert:innen trotzten dem Schlechtwetter. Ihre Funde bezeugen die Intaktheit der Lebensräume.
![Wolken und Himmel spiegeln sich in der glatten Oberfläche eines Bergsees](assets/images/5/gritzersee-cnpht-steinacher-andreas-low-55436810.jpg)
Gritzersee
Was kreucht und fleucht denn hier?
Seit 2007 veranstaltet der Nationalpark Hohe Tauern jährlich im Wechsel zwischen den drei Bundesländern Kärnten, Salzburg und Tirol die Tage der Artenvielfalt. In dieser Zeit wimmelt es zwischen Bäumern und Sträuchern neben den üblichen Nationalpark Bewohnern auch von Expert:innen unterschiedlicher Disziplinen, die sich Insekten, Vögeln und Co. an die Fersen heften. Sie alle engagieren sich ehrenamtlich, um zur Erfassung der Biodiversität im Nationalpark beizutragen. Ihre Meldungen belegen die wichtige Rolle des Nationalparks Hohe Tauern als Refugium für seltene und teilweise extrem gefährdete Arten.
Im Laufe der Jahre konnten bei den Tagen der Artenvielfalt bereits beinahe 59.000 Datensätze gesammelt werden, das sind immerhin beachtliche rund 12 % des Gesamtdatenbestandes der Biodiversitätsdatenbank des Nationalparks. Dieses ständig wachsende Wissen ermöglicht es, die Bedeutung des Nationalparks für die Österreich- und alpenweite Fauna und Flora wissenschaftlich zu belegen.
In diesem Jahr wurde dem Defereggental in Osttirol die Ehre zuteil biodiversitätstechnisch genauestens unter die Lupe genommen zu werden. Die Deferegger Sonnseite zwischen St. Veit und St. Jakob bietet eine Vielfalt an Lebensräumen vom alpinen Bergwald über Almen und Bergseen bis zu den hochalpinen Bereichen mit den Übergängen ins Virgental. Kennzeichnend ist die starke Sonneneinstrahlung, die zu einem, für die Höhenlage außergewöhnlich milden Klima führt und früh die Ausbildung der alpinen Kulturlandschaft mit arten- und blütenreichen Bergmähdern und Almen begünstigte. Landschaftsprägend sind zudem eiszeitliche Relikte wie Moränenwälle, Karseen und Mulden sowie die hohe Bandbreite an Höhenstufen.
![Die Grafik zeigt die Fläche des Untersuchungsgebietes im Defereggental an der Südflanke einer Gebirgsgruppe](assets/images/4/Untersuchungsgebiet%20%28NPHT%20F.Jurgeit%29-3ee60167.png)
Lage des Untersuchungsgebietes der Tage der Artenvielfalt 2023
![Eine Frau kauert mit ihrem Handy über der Wiese. Neben ihr ein aufgeschlagenes Buch](assets/images/c/TAV2023_cNPHT_Mattersberger-d81dda67.jpg)
Zippammer, Distelhummel und Braunes Langoher
Die Tage der Artenvielfalt sind als zeitliche und räumliche Schwerpunktuntersuchungen gerade in einem Großschutzgebiet eine gute Methode, die Artenvielfalt systematisch zu erheben. Der interdisziplinäre Charakter dieser Fachveranstaltung ermöglicht es, nicht nur die traditionell gut untersuchten Organismengruppen sondern auch die weniger beachteten Gruppen zu berücksichtigen. Bei kaum einem anderen Ereignis lässt sich die Freude am Entdecken mit dem nützlichen Sammeln von naturschutzrelevanten Daten so hervorragend verknüpfen.
So können sich auch die Funde aus diesem Jahr wieder sehen lassen: Unter anderem konnten die Ornitholog:innen 286 Beobachtungen von rund 60 verschiedenen Vogelarten vermelden. So wurde der Zippammer (Emberiza cia) dokumentiert, eine Vogelart der Roten Liste, welche nur äußerst schwer nachzuweisen ist.
Die Hummeln sind im Gegensatz zu den Bienen und Schmetterlingen nicht auf Schönwetter angewiesen um ihre Betriebstemperatur für das Ausfliegen zu erreichen. Auf sehr kleinem Raum konnten 106 Exemplare gezählt werden. Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal der verschiedenen Hummelarten ist die Farbe des Hinterleibes. Die seltene Distelhummel (Bombus soreensis) konnte 63 Mal beobachtet werden. Die Distelhummel bildet unterirdische Nester, in Mäusenestern und Maulwurfsgängen, mit bis 80 bis 150 Individuen. Im Hochgebirge sind die Hummeln wichtige Bestäuber, da sie wesentlich höher steigen können als Bienen und auch bei schlechtem Wetter ausfliegen können.
Eine besonders faszinierende Artengruppe sind die Fledermäuse, die aufgrund von Landschafts- und Nutzungswandel, Verschlechterung oder Zerstörung der Lebensräume und Quartierverlusten als gefährdet gelten. Fledermäuse sind Spezialisten der Nacht und orientieren sich mittels Echoortung. In Österreich leben insgesamt 28 verschiedene Fledermausarten, in Tirol 24. Bei den Tagen der Artenvielfalt konnten fünf verschiedene Fledermausarten nachgewiesen werden unter anderem auch das Braune Langohr (Plecotus auritus), die Fledermaus des Jahres 2022/23.
Weiters konnten die Botaniker:innen bereits 323 verschiedene Arten dokumentieren. Obwohl es für die Pilze eigentlich jahreszeitlich noch zu früh ist, konnten 50 Arten bestimmt werden. Die Schmetterlingsexpert:innen hatten es aufgrund der Wetterbedingungen besonders schwer, trotzdem konnten bei den Nachtfaltern 78 Arten und bei den Tagfaltern bisher 21 Arten nachgewiesen werden.
Nun gilt es diese und noch viele weitere Funde zu validieren und teilweise in Laboranalysen zu bestimmen. Die Funde der ehrenamtlichen Expert:innen bei den Tagen der Artenvielfalt sind ein wertvoller Beitrag zur „Buchhaltung der Natur“, welche in der Biodiversitätsdatenbank des Nationalparks Hohe Tauern zusammengetragen werden. Die Endergebnisse für 2023 werden im Herbst-/Winter 2023/24 erwartet.
![Vier Personen stehen auf einem steielen Hang im Nationalpark Hohe Tauern](assets/images/5/TAV2023_Gelaende_cNPHT_Mattersberger-ffbf1019.jpg)
![Ein brauner Falter sitzt auf dem Daumen einer Hand. Mit dem Smart Phone wird ein Foto gemacht](assets/images/3/TAV2023_ObservatonORGcNPHT_Mattersberger-fa678ca6.jpg)
![Eine Gruppe von acht Männern und Frauen steht um eine pyramidenförmige Insektenfalle](assets/images/f/TAV2023GruppeEigner_cNPHT_Mattersberger-c8a4d366.jpg)
![Ein Mann auf einem Hang spannt ein meterhohes Netz auf um Fledermäuse zu fangen](assets/images/0/Fledermausnetze2_cNPTH_Dalpiaz-bead1e67.jpg)
Die Fledermausforscher:innen spannen ihre imposanten teilweise bis zu 10 Meter langen und rund 5 bis 6 Meter hohen Netze für den Nachtfang aus.
![Die Nahaufnahme einer winzigkleinen Fledermaus mit großen Ohren in einem Handteller sitzend](assets/images/0/alpenlangohr-c-caroline-schulzeklein-426b90f2.jpg)
Das markanteste Merkmal des Alpenlangohrs sind die auffallend große Ohren, die eine Länge von 34 bis 38 mm erreichen. (Körperlänge: 46 bis 55 mm). Die Verbreitung ist auf die europäischen Hochgebirge, wie z. B. die Alpen, beschränkt.
Inventur der Biodiversität
Die Biodiversität unserer Schutzgebiete flächendeckend zu erfassen ist einer der Forschungsschwerpunkte der Nationalparks. In der Biodiversitätsdatenbank des Nationalparks Hohe Tauern werden Daten zu Vorkommen, Verbreitung, Ökologie und Gefährdung der Tier-, Pflanzen- und Pilzarten für die Hohen Tauern gezielt zusammengetragen, standardisiert, zentral verwaltet, ausgewertet und bereitgestellt. Wie auch die Buchhaltung eines Unternehmens kann die Führung eines Biodiversitätsinventars zu den Schutzgütern nie abgeschlossen sein. Sie ist eine laufende, notwendige Arbeit zur Umsetzung von Kernaufgaben des Schutzgebietes. In den letzten 15 Jahren ist es auf diesem Wege gelungen, eine Wissensdatenbank mit mehr als 350.000 Datensätzen zu schaffen.
Ein großer Dank geht vonseiten des Nationalparks an die rund 70 Wissenschafter:innen, die ehrenamtlich an den Tagen der Artenvielfalt ausschwärmten.
![Eine große Gruppe von Männern und Frauen stehen auf eienr Wiese um einen kleinen Teich im Halbkreis](assets/images/b/TAVExpert_innen_cNPHT_Rojko-620dc634.jpg)
Rund 70 Wissenschafter:innen erfassten die Biodiversität vom 21. bis 23. Juli 2023 auf der Deferegger Sonnseite in der Kern- und Außenzone des Nationalparks Hohe Tauern.
Wer es ganz genau wissen will, findet die Datensätze aller bisher stattgefundenen Tage der Artenvielfalt im Datenzentrum des Nationalparks Hohe Tauern unter
2007 - Dorfertal, Osttirol: http://www.parcs.at/npht/mmd_fullentry.php?docu_id=26961
2008 - Wildgerlostal, Salzburg: http://www.parcs.at/npht/mmd_fullentry.php?docu_id=36458
2009 - Dösental, Kärnten: http://www.parcs.at/npht/mmd_fullentry.php?docu_id=27103
2010 - Seidlwinkltal, Salzburg: http://www.parcs.at/npht/mmd_fullentry.php?docu_id=27969
2011 - Ködnitz- und Teischnitztal, Osttirol: http://www.parcs.at/npht/mmd_fullentry.php?docu_id=26960
2012 - Hollersbachtal, Salzburg: http://www.parcs.at/nphts/mmd_fullentry.php?docu_id=34332
2013 - Gschlössbachtal, Osttirol: http://www.parcs.at/nphtt/mmd_fullentry.php?docu_id=34012
2014 - Seebachtal, Kärnten: http://www.parcs.at/npht/mmd_fullentry.php?docu_id=35083
2015 - Untersulzbachtal, Salzburg: http://www.parcs.at/npht/mmd_fullentry.php?docu_id=36757
2016 - Tauerntal, Kärnten: http://www.parcs.at/npht/mmd_fullentry.php?docu_id=37206
2017 - Hinteres Defereggental, Osttirol: http://www.parcs.at/npht/mmd_fullentry.php?docu_id=40192
2018 - Wildnisgebiet Sulzbachtäler, Salzburg: http://www.parcs.at/npht/mmd_fullentry.php?docu_id=41306
28.07.2023
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