Hochwasser und dessen Einfluss
auf Ameisengemeinschaften

Forschungspreis

Björn Matthies beschäftigte sich während seiner Masterarbeit mit dem Einfluss von wiederkehrenden Hochwasserereignissen auf die Ameisengemeinschaften im Nationalpark Donau-Auen.

Hochwasser im Wald
(c)Matthies

Ameisen und Hochwasser

Aufgrund der Teilung des Nationalparks durch den Marchfeld-Schutzdamm in einen regelmäßig dem Hochwasser ausgesetzten Bereich und einen vor Hochwasser geschützten Bereich eignet sich der Nationalpark Donau-Auen besonders gut als Forschungsstandort. Im südlichen, an die Donau angrenzenden Teil des Nationalparks kommt es durch die Gletscherschmelze bedingten Donau-Hochwasser im Sommer zu wiederkehrenden Überschwemmungen, während der nördliche Teil des Nationalparks durch den Damm vor Überschwemmungen geschützt ist. Diese Aufteilung in einen „trockenen“ und einen „Überschwemmten“ Teil sowie die gute Anbindung des Nationalparks an Wien macht ihn zu einem attraktiven Forschungsgebiet für Wiener Studierende.

So wurden in den vergangenen Jahren bereits zahlreiche Studien zum Einfluss von Hochwasserereignissen auf verschiedene Invertebraten-Gruppen wie Wildbienen, Heuschrecken und Schmetterlinge im Nationalpark durchgeführt.

Ameisen, als meist bodenlebende, standortfixierte und im Normalfall (mit Ausnahme der Geschlechtstiere zur Paarungszeit) nicht flugfähige Arthropoden sollten erwartungsgemäß von Überschwemmungen ihres Lebensraums stärker betroffen sein als beispielsweise flugfähige Insekten. Hinzu kommt bei den heimischen Ameisenarten ein meist mehrjähriger Koloniezyklus von Gründung einer Kolonie bis zur Produktion von Geschlechtstieren. Jährlich auftretende Hochwasser könnten verhindern, das ein solcher Koloniezyklus vollendet wird und sich eine Ameisenart im Hochwassergebiet etablieren kann.

Hochwasser
(c)Matthies

Barberfallen und Bodenstreu-Extraktion

Die Forschungsfragen zu Beginn der Arbeit waren, inwiefern der Artenreichtum und die Artenzusammensetzung der Ameisen durch Hochwasserexposition beeinflusst werden. Im weitergehenden Verlauf der Arbeit stellte sich dazu die Frage, ob sich artspezifische Traits (z.B. Fortpflanzungsstrategien, Koloniegründungstyp, Nestgröße oder Körpergröße) identifizieren lassen, die das Vorkommen von bestimmten Arten im Hochwassergebiet begünstigen.

Um die Ameisenarten des Nationalparks zu erfassen, wurde eine Kombination aus zwei etablierten Sammelmethoden gewählt: Barberfallen und Bodenstreu-Extraktion mithilfe von Winkler-Säcken. Barberfallen sind Becherfallen, die im Boden vergraben werden, und in die vor allem sehr mobile und an der Oberfläche aktive Tiere hineinfallen und dort mithilfe eines Konservierungsmittels gesammelt werden. Um zu vermeiden, das größere Tiere wie z.B. Nacktschnecken in den Fallen gesammelt werden, wurde zusätzlich ein Drahtgitter auf den Becherfallen montiert. Gefüllt wurden die Barberfallen mit einer Mischung aus Honig und Rum, eine Kombination, die sich als Lockmittel für Ameisen bewährt hat. Allerdings waren Ameisen nicht die einzigen Tiere, die davon angelockt wurden; wiederholt mussten Barberfallen erneut aufgestellt werden, nachdem sie von Wildschweinen ausgegraben worden waren.

Als zweite Methode wurde die Bodenstreu-Extraktion mittels Winkler-Säcke gewählt. Hierbei wird 1m2 Bodenstreu gesammelt, in mit feinmaschigen Netzen aufgehängt und für mehrere Tage unter einer Lichtquelle aufgehängt und getrocknet. Durch das Austrocknen und Erwärmen der Streu wandern die sich darin befindlichen Ameisen immer weiter nach unten (weg von der Hitzequelle), bis sie schließlich durch das Netz in einen sich darunter befindlichen Auffangbehälter fallen. In der Streuschicht finden sich häufig Ameisenarten, die oftmals im Boden oder im Streu ihr Nest bauen und nur innerhalb der Streu auf Nahrungssuche gehen und daher nicht von den Barberfallen erfasst werden.

Ameise
(c)Matthies

Camponotus

Bestimmung von Ameisen

Zusammen mit der Nationalparkverwaltung wurden 32 Standorte ausgewählt, an denen die Fallen mit zweimaliger Wiederholung aufgestellt wurden. Dabei wurden Auwald- und Wiesen-Standorten (aufgeteilt in 16 hochwassergeschützte und 16 hochwasserexponierte Standorte) ausgewählt, da für beide Habitate unterschiedliche Ameisenarten zu erwarten waren. Die Probennahme erstreckte sich über den Zeitraum von Juni – August 2020.

Aus diesen Proben ergab sich eine Anzahl von circa 33.000 Ameisenindividuen, die anschließend mithilfe eines Stereomikroskops bestimmt wurden. Neben Körpergröße und Färbung ist es notwendig, viele weitere Merkmalsausprägungen detailliert zu untersuchen. Typische Identifizierungsmerkmale sind beispielsweise die Ausprägung der Mundwerkzeuge und „Bezahnung“, die Anzahl der Antennenglieder, Kopfform und das Vorhandensein und die Länge von Borsten auf verschiedenen Körperteilen. Zur Identifikation der Arten werden auch häufig die Größenverhältnisse einzelner Körperteile miteinander verglichen, z.B. die Größe der Augen im Verhältnis zum Kopf oder Länge des Antennenschafts im Verhältnis zur Kopfgröße.

Nach abgeschlossener taxonomischer Bestimmung der Ameisen zeigte sich folgendes Bild:

Im hochwassergefährdeten Bereich des Nationalparks war die Anzahl der Ameisenarten geringer als im hochwassergeschützten, die Unterschiede waren hierbei am deutlichsten zwischen den Wiesenstandorten zu erkennen. Insgesamt besaßen die hochwassergeschützten Wiesen die höchste Artenvielfalt, während sich auf den hochwasserexponierten Wiesen die wenigsten Ameisenarten nachweisen ließen.

Auch zwischen den Auwald-Standorten zeigte sich ein negativer Einfluss von Hochwasserexposition auf die Ameisenbiodiversität, allerdings war hier der Unterschied deutlich geringer als zwischen den Wiesenstandorten.

Diese Ergebnisse spiegelten sich auch in der Analyse der Artenzusammensetzung. Während sich im Vergleich der Wiesenstandorte eine deutliche Verschiebung der Artenzusammensetzung in Abhängigkeit vom Hochwassereinfluss zeigte, so war diese in den Waldstandorten nur bei der Bodenstreu-bewohnenden Ameisengemeinschaft zu erkennen. Dies ist insofern nachvollziehbar, als das das Bodenstreu die Schicht ist, die selbst von geringen Hochwassern sofort betroffen ist und zumeist weggeschwemmt wird. Ameisenarten, die auch außerhalb der Bodenstreu vorkommen, finden in Waldgebieten entweder mit Totholz oder mit Nistmöglichkeiten auf Bäumen verschiedene Strukturen, die ihnen ermöglichen, Hochwässer zu überstehen, sofern sie diese Strukturen zum Nisten nutzen. Auf Wiesen hingegen sind solche Schutzstrukturen nicht vorhanden, so dass hier Hochwasser eine deutlich katastrophalere Wirkung auf Ameisen haben.

Falle für Insekten
(c)Matthies

Barberfalle

Falle für Insekten
(c)Matthies

Barberfalle

Die Merkmalsanalyse zeigte bei den wenigen Ameisenarten, die auf den hochwasserexponierten Wiesenstandorten gefunden wurden, eine klare Verschiebung in Richtung Monogynie (eine Königin je Kolonie), Monodomie (ein Nest je Kolonie), unabhängige Koloniegründung (im Unterschied zur Kolonieteilung) und eine hohe Position in der lokalen Dominanzhierarchie. Dies spricht dafür, dass es gerade auf diesen stark beeinflussten Wiesenstandorten eher zu einer häufigen Wiederbesiedlung durch Pionierarten kommt. Interessanterweise wurden keine typischen Au-Arten nachgewiesen, von denen bekannt ist, dass sie spezielle Anpassungen an Überflutungsereignisse besitzen.

Hingegen wurden einige Arten als besonders anfällig für die Störungen durch Überflutungen identifiziert. Das Vorkommen dieser besonders hochwasserempfindlicheren Ameisenarten in einem eigentlichen hochwasserexponierten Gebiet kann darauf hinweisen, dass hier die Überflutungsdynamiken nicht mehr regelmäßig stattfinden und ein Standort seinen typischen Auencharakter verliert.

 

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Text: Björn Matthies

 
 

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Einfluss von wiederkehrenden Hochwasserereignissen auf Ameisengemeinschaften

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