Die verbliebenen Lacken
des Seewinkels

Neusiedler See - Seewinkel

Zwischen dem Ostufer des Neusiedler Sees und dem Becken des Hanság (dt.: Waasen) liegen verstreut rund 40 Salzlacken – fast dreimal so viele waren es noch im 19. Jahrhundert, bevor die Intensivierung der Landwirtschaft einsetzte und zahlreiche Lacken durch Entwässerung und Tiefackern zerstört wurden. Noch dramatischer sieht der Flächenverlust aus – auch in jüngerer Vergangenheit: Im Vergleich zu 1957 ist heute nur mehr die Hälfte der Lackenflächen vorhanden.

Salzlacke im Neusiedler See - Seewinkel
(c)Hannah Assil

Zwar liegen fast alle verbliebenen Lacken im Nationalpark Neusiedler See - Seewinkel und sind so – nicht zuletzt wegen ihrer internationalen Bedeutung als Brut- und Rastplatz für zahlreiche Vogelarten (prioritäre Lebensräume in der EU) – dauerhaft geschützt. Gleichzeitig sind sie allerdings bedroht: Vom „Lackensterben“ ist des Öfteren die Rede, wobei dieser schleichende Prozess nur von der Fachwelt wahrgenommen wird.

Eiszeitrelikte und frühere Seeflächen

Es trifft vor allem die älteren Sodalacken, die während der letzten Eiszeit entstanden, als Eislinsen im heutigen Seewinkel weggeschmolzen waren und sich in den verbleibenden Mulden Niederschlagswasser sammelte. Die Konzentration des aus der letzten Zwischeneiszeit stammenden Salzes im Boden steigt jeden Frühsommer bei sinkendem Wasserspiegel, bis im Hochsommer nur mehr blendend weißer „Sodaschnee“ am abgetrockneten Lackenboden zu sehen ist. Dieser besteht hauptsächlich aus Natriumbikarbonat (Na2CO3), es kommen aber auch Glaubersalz (Na2SO4), Bittersalz (MgSO4) und Kochsalz (NaCl) vor. Auf solchen Böden wachsen Meeresküstenpflanzen, die kontinental verbreitete Salzkresse oder die Salzaster. Färben gelöste Huminstoffe das Wasser braun, spricht man von Schwarzwasserlacken. Feine, tonige Sedimente im Lackenboden geben dem Wasser hingegen eine hellgraue Farbe („Weißwasserlacken“).

In Eurasien findet man östlich des Karpatenbeckens vergleichbare Salzwasserbecken im Iran und in der Türkei, den weitaus größten Teil in China.

Man nimmt an, dass die Entstehung der das Ostufer des Neusiedler Sees begleitenden Lacken mit dem sandigen Seedamm zusammenhängt: Sedimente vom Seeboden wurden durch Strömung und Eisstoß dammartig abgelagert. Diese natürliche Aufschüttung führte zur Abtrennung vormals zum See gehöriger Wasserflächen. Im Wechsel der Jahreszeiten schwankt der Wasserstand in den äußerst seichten Becken zwischen maximal 60 cm und völliger Austrocknung. Die Niederschläge im Herbst und Winter gleichen die starke Verdunstung des Sommerhalbjahres aus. Vor allem kurz vor dem Austrocknen machen der Salzgehalt (bis zu 100 g/l!) und das Temperaturgefälle zwischen Tag und Nacht jede Lacke zu einem extremen Lebensraum: Schwankungen der Wassertemperatur im Bereich von 18° und 38°C sind dann die Regel.

Typische Bewohner der stark salzigen Lacken sind Kleinkrebse und Rädertiere, von denen beispielsweise Säbelschnäbler, Stelzenläufer oder Löffelenten, die hier ein europaweit bedeutendes Brutvorkommen aufweisen, profitieren. Die Verlandungszonen werden zudem von Graugänsen, einer Reihe von Entenarten, von Möwen, Seeschwalben und Watvögeln bevölkert. An manchen Lackenrändern hat die Südrussische Tarantel ihre westliche Verbreitungsgrenze. Die Jagd auf Wasserwild wurde mit der Gründung des Nationalparks 1993 an den größeren Lacken eingestellt. Seit 2008 verhindert ein Netzwerk kleiner Staueinsätze in bestehenden Entwässerungsgräben das rasche Abfließen von Oberflächenwasser.

Einige Gänse fliegen über dem Wasser und andere spazieren im See
(c)Hannah Assil

Nur selten Fische, aber immer Vögel

Für die fortwährende Nutzung als Fischgewässer war auch früher die Wassertiefe zu gering. Hielt sich in regenreichen Jahren der Wasserspiegel auch über den Hochsommer, fiel im darauffolgenden Winter der Fischbestand dem Durchfrieren des Lackenwassers zum Opfer. Trotzdem erlangten bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts einige größere Lacken eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung: Das kristallisierte Soda, ungarisch „Zick“, wurde im Hochsommer in den trockenen Lackenbecken zusammengekehrt und in „Sodafabriken“ (Illmitz, Podersdorf) zu Waschsoda verkocht. Der Beginn der industriellen Waschmittelproduktion bedeutete das Ende dieser Erwerbstätigkeit.

Seit den 1960er Jahren bilden die Salzlacken des Seewinkels die Grundlage für einen stets wachsenden Naturtourismus. Als die Österreicher mit dem Begriff „Neusiedler See“ noch die Strandbäder und später die Radwege assoziierten, kamen Hobby-Ornithologen aus Deutschland, der Schweiz und Großbritannien bevorzugt im Frühjahr und im Herbst an die Lacken, um zu beobachten, zu fotografieren oder zu filmen. Mit der Gründung des grenzüberschreitenden Nationalparks stieg auch im Inland das Interesse am „schönsten Hobby der Welt“, und die ab den 1980er Jahren mit sinkenden Flugpreisen weggebliebenen Engländer fühlen sich mit neuen Flugverbindungen, wegfallenden Grenzkontrollen und mehreren jüngeren Schutzgebieten in der Umgebung (Donau, March) wieder stärker motiviert, zum Birdwatching nach Zentraleuropa zu reisen.

(c)NPNSS

Die Abhängigkeit vom Grundwasser

Die aktuelle Bedrohung der verbliebenen Seewinkellacken ist an der Oberfläche kaum sichtbar: Bleibt der Grundwasserspiegel über längere Zeit niedrig und vom salzführenden Horizont im Boden der Lacke getrennt, gelangen keine Salze mehr an die Oberfläche – die Gefahr der „Aussüßung“ einer Salzlacke steigt. Mit ergiebigen Niederschlägen kann sich dann zwar weiterhin das Lackenbecken füllen, es wird aber durch den veränderten Chemismus mittelfristig das typische Nahrungsangebot in Form der angepassten Kleintiere fehlen. Für manche „Stars“ in der Vogelwelt, denen Jahr für Jahr die Birdwatcher hinterher reisen, werden also solche Lacken kein passender Lebensraum mehr sein.

Die Gesamtfläche der intensiv bewirtschafteten Ackerflächen außerhalb der Nationalparkflächen im Seewinkel, aber auch am Heideboden und im Hanság sinkt zwar tendenziell, der Klimawandel mit immer längeren Hitzeperioden und unterdurchschnittlichen, ungünstig verteilten Niederschlägen lässt aber den Wasserbedarf in der Landwirtschaft steigen. Es sind also nicht nur die seit dem Spätmittelalter angelegten und zu Beginn des 19. Jahrhunderts deutlich ausgeweiteten Entwässerungsgräben, die vielen Lacken die Grundwasserverbindung rauben – hier haben gezielte Maßnahmen seit Mitte der 1990er Jahre bereits sicht- und messbare Verbesserungen gebracht. Politisch kaum durchsetzbar erscheint aber die Reduzierung der Grundwasserentnahme im direkten Umfeld des Nationalparks, obwohl die diesbezüglichen Zusammenhänge in umfangreichen Forschungsprojekten und Modellversuchen, zum Teil mit dem Aufbringen einer Soda-Glaubersalzmischung auf einer ausgetrockneten Lacke, deutlich darstellbar sind.

Das aufwändige Naturraummanagement im Nationalpark – mit Beweidung an den Lackenrändern, im Seevorgelände und auf den Hutweiden – kann zwar dafür sorgen, dass auch in Zukunft die sensiblen Lebensräume für salztolerante Pflanzen und bodenbrütende Vogelarten offen gehalten werden, Maßnahmen gegen einen sinkenden Grundwasserspiegel kann die Nationalparkverwaltung freilich nicht setzen. Zur Bewusstseinsbildung aller Beteiligten für die damit verbundenen – mittelfristig auch touristischen – Probleme ist es allerdings nicht zu spät. Die Salzlacken des Seewinkels sind schließlich Teil der regionalen Identität und mit ihrer teils exotischen Artenausstattung ein spannendes Fenster nach Asien, mitten in Europa.

 

Text: Alois Lang

Salzlacke im Neusiedler See - Seewinkel
(c)Hannah Assil

 
 

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