Die kleinen Bilche -
ein verstecktes Leben
Bilche zählen gemeinsam mit Mäusen und Spitzmäusen zu den oftmals unbeachteten Bewohnern unserer Wälder was unter anderem an ihrer versteckten Lebensweise liegt. Diese Familie wurde im Nationalpark Kalkalpen genauer erforscht.
Der Großteil der Aktivität findet im Dunkeln oder in der Dämmerung statt. Unverkennbare Anpassungen dafür sind die großen schwarzen Augen, die langen Tasthaare und ein überaus feiner Gehörsinn. Bei genauerem Hinsehen fallen zudem die saugnapfartigen Ausbildung ihrer Fußsohlen, die Haftzehen und die drehbaren Knöchel der Hinterfüße ins Auge. Eigenschaften, welche die Bilche zu ausgezeichneten Kletterern machen. Die höchsten Baumschichten werden vom Siebenschläfer (Glis glis) aufgesucht. Die Haselmaus (Muscardinus avellanarius) bewegt sich vorwiegend entlang von Sträuchern, wobei kugelförmige Grasnester bis in Höhen von 10 m gefunden werden können. Aufgrund ihrer strengen Bindung an Gehölze sind unsere heimischen Bilche besonders von Lebensraumverlust betroffen, da zu Gunsten von Infrastrukturprojekten sowie land- und forstwirtschaftlichen Interessen vielerorts Hecken, strauchreiche Flächen und natürliche Mischwälder verschwinden.
Winterschlaf
Wie die häufig verwendeten Namen „Schläfer“ oder „Schlafmäuse“ bereits vermuten lassen, halten die Tiere zur Überbrückung ungünstiger Bedingungen einen Winterschlaf. Mit sinkenden Temperaturen im Herbst fallen sie mit eingerolltem Schwanz und umgeklappten Ohren in ihren Winterquartieren in einen tiefen Schlaf. Während der nächsten Monate haben Bilche durch die Herabsetzung der Sinnes- Stoffwechsel- und Bewegungsabläufe enorme physiologische Herausforderungen zu meistern. Die Köpertemperatur sinkt beinahe bis zum Gefrierpunkt und nur ein Regelmechanismus, der eine Wärmeproduktion induziert, schützt sie vor dem Erfrieren. Bis zum Erwachen im Frühjahr verlieren die Tiere 40-50 Prozent ihres Gewichts.
Speiseplan mit Einschränkungen
Bilche besitzen keinen Blinddarm. Ihnen fehlen daher symbiotische Bakterien zur Verwertung von Zellulose, sodass sie auf leicht verdauliche eiweiß-, fett- und kohlenhydratreiche Nahrungsquellen angewiesen sind. Ihre pflanzliche Nahrung besteht folglich überwiegend aus Früchten, Nüssen, Samen und Knollen. Der Anteil tierischer Kost in Form von Insekten, Spinnen und Regenwürmern, variiert je nach Jahreszeit und ist vor allem im Herbst zur Anlage der Fettreserven hoch.
Bilche im Nationalpark
In den naturnahen Wäldern des Nationalparks Kalkalpen finden Bilche noch gut geeignete Lebensräume. Der Siebenschläfer profitiert besonders von den alten Buchenwäldern, welche ihm ausreichend Schutz und Nahrung bieten. Im Nationalpark sind unter anderem Vorkommen im Bereich der Rettenbachhöhle und beim Buglkar bekannt. Die Haselmaus bevorzugt strauchreiche Flächen wie sie entlang von Waldrändern und auf Kahlschlagflächen üblich sind. In den Kalkalpen liegen erst wenige Nachweise des gefährdeten Nagers am Zöbelboden und bei der Stöfflalm vor.
Der seltene Baumschläfer wurde im Nationalpark bislang noch nicht gesichtet. Das nächstgelegene Vorkommen befindet sich im Salzkammergut. Der Gartenschläfer ist im Westen Österreichs beheimatet, sein Fehlen im Nationalpark beruht daher auf seiner natürlichen Verbreitungsgrenze.
Bilchuntersuchung entlang des Weißenbaches
Im Rahmen eines aktuellen Kleinsäuger-Artenschutzprojektes des Landes Oö./Abteilung Naturschutz erfolgte im Jahr 2016 die Untersuchung eines etwaigen Bilchvorkommens entlang des Weißenbaches. Da Bilche nur schwer mit herkömmlichen Lebendfallen gefangen werden können, wurden Kobel verwendet. Die Tiere akzeptieren diese bereits nach wenigen Wochen als Ersatzhöhlen und legen darin ihre Laub- und Grasnester an. In der Untersuchung wurden im Frühjahr 10 Nestboxen aus Holz und 10 Neströhren aus Kunststoff in Höhen zwischen 1,5 und 2 m an Sträuchern und Bäumen montiert. Im Herbst konnte der Siebenschläfer an 3 Standorten in Nestboxen beobachtet werden und in einer Neströhre befand sich das Nest einer Haselmaus. Zum Artnachweis wurden die im Nest befindlichen Haare mikroskopisch ausgewertet.
Die Haselmaus gilt als besonders gefährdet
Als eine Art der frühen Waldsukzessionsstadien wirkt sich der Rückgang der schonenderen Mittel- und Niederwaldbewirtschaftung besonders nachteilig auf das Vorkommen der Haselmaus aus. Zudem werden naturnahe Wälder häufig durch Nadelholzforste und einheitliche Altersklassenwälder ersetzt. So fehlen ihr heute oftmals die als Nahrungsquelle und zum Schutz benötigten lichtdurchfluteten Bereiche mit ausgeprägter Kraut- und Strauchschicht. Die Haselmaus ist daher international sowohl durch die Berner Konvention (Anhang III) als auch durch die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (Anhang IV) geschützt. Auch in Oberösterreich verliert die Haselmaus zunehmend Lebensräume und ist im Oö. Natur- und Landschaftsschutzgesetz als besonders geschützte Art gelistet.
Der Haselmaus im Nationalpark auf der Spur
Kleinsäuger verwenden unterschiedliche Techniken zum Öffnen von Haselnüssen. Die Haselmaus nagt ein Loch in die Schale und vergrößert dieses mit den unteren Schneidezähnen entlang der Kante. Es entsteht ein beinahe kreisrundes Loch mit glattem Rand und davon ausgehend parallel bis spiralförmig angeordneten Zahnspuren. Ab September können beim Wandern angenagte Nüsse auf dem Boden unter Haselnusssträuchern gefunden werden. Mit etwas Glück verrät die Bissspur die Anwesenheit einer Haselmaus!
Text: Christine Blatt und Stefan Resch, ARGE Kleinsäugerforschung GesbR
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